"St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

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niels
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"St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von niels »

siehe TA:
http://eichsfeld.thueringer-allgemeine. ... -147299129

Ich frage mich, was eine religiöse Zauberfigur (ein "Heiliger" ist ja jemand, der ein "Wunder" vollbracht hat...) wie in diesem Fall "Sankt Martin" in einer staatlichen Schule (über den rein historischen/soziokulturwissenschaftlichen Kontext hinaus) zu suchen hat. Reichte es nicht, das man uns in der (damals noch "Polytechnischen Oberschule 'Maxim Gorki'" genannten) Schule noch vor 25 Jahren die "Heiligen" und "Märtyrer" des allheiligen, allmächtigen wie allwährenden Sozialismus indoktriniert hat?

Schlimm genug, das es im 21. Jahrhundert immer noch staatlich verordneten, inhaltlich allein von einer Sekte gesteuerten, "Religionsunterricht" an staatlichen Schulen vorfindet (indem es ja keineswegs um die rein sachliche/wissenschaftliche Betrachtung des Phänomens Religion, sondern die gezielte Indoktrination und Menschenverdummung, geht, wie sie seit Karl dem Schlächter - den die Christen heute den "Großen" nennen - auf "deutschem" Boden Pflichtprogramm ist).

Wie wäre es zur Abwechslung einmal mit der Förderung von Ratio und Verstand, der Fähigkeit selbst denken zu lernen um sich selbst ein Bild der Welt zu machen? Natürlich hätte ein solches Bild auch Löcher - doch wäre sie zur Abwechslung mal ehrlich und nicht der Versuch, jene Löcher mit naivem bis kindischem Wunschdenken zu "stopfen", um dies dann allen Ernstes "Wahrheit" zu nennen oder auch sonst einen Wahrheitswert über der jeder anderen willkürlichen Behauptung anzulegen...

Wir wäre es z.B. mit dem Hinwesi, das das heute sog. "Weihnachtsfest" keineswegs der "Geburtstag" des israelischen Che-Guevaras "Jesus" gewesen sein kann, vielmehr der erfolgreiche Versuch der Kirchen, bis dahin noch freie Traditionen (war ja ehemals ein/das Lichtfest um die Wintersonnenwende, an dem das "Lichtkind" erwartet wurde) den Menschen wegzunehmen, um es für eigene Machtinteressen einzusetzen.

Goethe hatte recht: "Das Märchen (von der jungfräulichen Gottesmutter) ist Ursache, dass die Welt noch 10.000 Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstande kommt, weil es ebensoviel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffes braucht, um es zu verteidigen, als es zu bestreiten."

Oder um es mit dem Göttinger Lichtenberg zu sagen: "Kein Wort im Evangelium ist in unseren Tagen mehr befolgt worden als das: Werdet wie die Kindlein".
Christel
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

„Sei heilig, indem du zum sichtbaren Zeichen der Liebe Gottes und seiner Gegenwart unter uns wirst.“
PAPST FRANZISKUS GENERALAUDIENZ Petersplatz
Mittwoch, 19. November 2014


Es hat uns geholfen, besser zu verstehen, dass alle Christen als Getaufte die gleiche Würde vor dem Herrn besitzen und in derselben Berufung, der Berufung zur Heiligkeit, vereint sind (vgl. Konstitution Lumen gentium, 39-42). Jetzt fragen wir uns: Worin besteht diese allgemeine Berufung zur Heiligkeit?

Und wie können wir sie verwirklichen? Zunächst müssen wir uns zu Bewusstsein führen, dass Heiligkeit nicht etwas ist, das wir uns beschaffen, das wir mit unseren Eigenschaften und mit unseren Fähigkeiten erlangen. Heiligkeit ist ein Geschenk, sie ist das Geschenk, das der Herr uns macht, wenn er uns mitnimmt und uns mit sich selbst bekleidet, uns ihm gleich macht. Im Brief an die Epheser sagt der Apostel Paulus, dass »Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat«, um sie »heilig zu machen« (Eph das schönste Antlitz: Sie bedeutet, sich in Gemeinschaft mit Gott, in der Fülle seines Lebens und seiner Liebe wiederzuentdecken.

So versteht man, dass die Heiligkeit kein Vorrecht nur einiger weniger ist: Die Heiligkeit ist ein Geschenk, das ohne Ausnahme allen Menschen angeboten wird. Daher ist sie das Wesensmerkmal eines jeden Christen. All das lässt uns verstehen, dass man, um heilig zu sein, nicht unbedingt Bischof, Priester oder Ordensmann sein muss: Nein, wir alle sind berufen, heilig zu werden! Außerdem sind wir oft versucht zu meinen, die Heiligkeit sei nur jenen vorbehalten, die die Möglichkeit haben, sich vom gewöhnlichen Leben abzuwenden, um sich ausschließlich dem Gebet zu widmen. Es ist aber nicht so! Einige meinen, Heiligkeit bedeute, die Augen zu schließen und ein Gesicht aufzusetzen wie auf einem Heiligenbildchen. Nein! Das ist nicht die Heiligkeit! Heiligkeit ist etwas Größeres, etwas Tieferes, das Gott uns schenkt.

Im Gegenteil, gerade dadurch, dass wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser christliches Zeugnis geben, sind wir berufen, heilig zu werden – und zwar jeder in der Situation und in dem Lebensstand, in denen er sich befindet. Bist du ein geweihter Mann, bist du eine geweihte Frau? Sei heilig und lebe deine Hingabe und deinen Dienst mit Freude. Bist du verheiratet? Sei heilig, indem du für deinen Ehemann oder deine Ehefrau sorgst, wie Christus es mit der Kirche getan hat. Bist du getauft und unverheiratet? Sei heilig, indem du aufrichtig und kompetent deine Arbeit tust und dem Dienst an den Brüdern Zeit widmest. »Aber Pater, ich arbeite in einer Fabrik; ich arbeite als Buchhalter, immer mit Zahlen, da kann man doch nicht heilig sein…« – »Doch, das kann man! Dort, wo du arbeitest, kannst du heilig werden. Gott schenkt dir die Gnade, heilig zu werden. Gott teilt sich dir mit.« Man kann immer an jedem Ort heilig werden, das heißt, man kann sich öffnen für jene Gnade, die in uns wirkt und uns zur Heiligkeit führt. Bist du Vater oder Großvater? Sei heilig, indem du deine Kinder oder Enkel mit Leidenschaft lehrst, Jesus kennenzulernen und ihm nachzufolgen. Und man braucht viel Geduld, um ein guter Vater, ein guter Großvater, eine gute Mutter, eine gute Großmutter zu sein. Man braucht viel Geduld, und in dieser Geduld kommt die Heiligkeit: indem man Geduld übt. Bist du Katechet, Erzieher oder freiwilliger Helfer? Sei heilig, indem zu zum sichtbaren Zeichen der Liebe Gottes und seiner Gegenwart unter uns wirst.

Ja, jeder Lebensstand führt zur Heiligkeit, immer! Bei dir zuhause, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Kirche, in jedem Augenblick und in deinem Lebensstand steht der Weg zur Heiligkeit offen. Lasst euch nicht entmutigen, diesen Weg zu gehen. Gott selbst schenkt uns die Gnade. Nur darum bittet der Herr: dass wir in Gemeinschaft mit ihm stehen und den Brüdern dienen. An diesem Punkt kann jeder von uns sein Gewissen etwas prüfen, wir können es jetzt tun. Jeder antwortet selbst, im Innern, in der Stille: Wie haben wir bislang auf den Ruf des Herrn zur Heiligkeit geantwortet? Möchte ich gern etwas besser, christlicher werden? Das ist der Weg der Heiligkeit.

Mehr: http://w2.vatican.va/content/francesco/ ... erale.html
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von niels »

Es hat uns geholfen, besser zu verstehen, dass alle Christen als Getaufte die gleiche Würde vor dem Herrn besitzen
Schon aus diesem ersten Satz spricht der Rassismus und die Intoleranz, wie sie für die (insbesondere - aber lange nicht nur - theistischen) Religionen bezeichnend sind.

Fragt man z.B. die in Deutschland bekennenden Anhänger der friedliebenden Religion Islam, ob sie Nichtmuslime oder gar Nichtgläubige als gleichwertige bzw. gleichrangige menschen ansehen, so antwortet immerhin ca. jeder fünfte darauf, das dies nicht der Fall sei und der Oberguru der berliner Juden lässt uns sogar per TV Interview wissen, das NIchtgläubige "Antisemiten" seien, weil sie die Existenz ihres Gottes nicht anerkennen.

Jaja,
bevor nun das Argument kommt: es gäbe ja nur EINEN Gott für ALLEN, den die Abrahamiten für real halten, dann verkennt dies die Tatsache, das SIE es sind, die ebenjener Entität "Gott" einen konkreten "Willen" und andere konkrete Parameter zubehaupten, um mit Hilfe dieser zwischen "gut" und "böse" zu unterscheiden und so folglich auch zwischen "guten" und "bösen" Menschen (aus deren Handlung ja die Prämisse abgeleitet wurde) zu differieren.

Fakt ist, das KEIN Abrahamit auch nur über EINE Information mehr verfügt als jeder andere Mensch über die Entstehung wie die Hintergründe des Seins / der Welt - jedwede religiöse Wahrheitsbehauptung ist und bleibt menschliche Anmaßung, wie sie vor allem (wenn auch nicht nur) der Art Affe/Primat nun mal besonders eigen ist.

In einer staatlichen Schule aber haben evidenzferne Behaupotungen nichts zu suchen - abgesehen von ihrer Betrachtung im wissenschaftlichen Kontext. Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, schulpflichtige Kinder zu irgendwelchen, schon gar nicht bestimmten Ideologien/Religiotien zu verführen oder sonstige "Volxerziehung" zu betreiben - das hatten wir doch nun schon mehr als genug.

Was gäbe es zB für eine Empörung, wenn eine staatliche Schule Hubbardsche "Dianetik" bzw. die Ideologie der Scientologen an Kinder in der selben Form vermitteln würden, wie dies mit abrahamitischen bzw. christlichen Lügen (ich nenne es bewusst "lügen", denn Behauptungen existierender Zusammenhänge ohne Evidenz IST auch "Lügen") passiert? Achja, die Christen wähnen sich ja in der Mehrheit in allen Eichsfeldorten - aber wäre es selbst dann legitim und würde (vor allem von den Christen/Religiösen) akzeptiert werden, wenn 52% einer Ortsbevölkerung Scientologen würden?

Nuhr hat schon Recht, wenn er efststellt: Religion ist nur dann tolerant, wenn sie keine Macht hat.
Christel
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:
Es hat uns geholfen, besser zu verstehen, dass alle Christen als Getaufte die gleiche Würde vor dem Herrn besitzen
Schon aus diesem ersten Satz spricht der Rassismus und die Intoleranz, wie sie für die (insbesondere - aber lange nicht nur - theistischen) Religionen bezeichnend sind.
Der oben genannte Satz von Papst Franziskus, geboren in Buenos Aires, Argentinien, Oberhaupt der weltweiten katholischen Kirche, bestehend aus Menschen aller Völker und Rassen, bezieht sich auf diesen Text des Zweiten Vatikanischen Konzils:

Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe" (Eph 4,5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe. Es ist also in Christus und in der Kirche keine Ungleichheit aufgrund von Rasse und Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht; denn "es gilt nicht mehr Jude und Grieche, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid ihr einer in Christus Jesus" (Gal 3,28 griech.; vgl. Kol 3,11).

Wenn also in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1,1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi.
http://www.vatican.va/archive/hist_coun ... um_ge.html
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mar
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von mar »

Ich finde, das Schattenspiel zu der Bettlerlegende ist an einer Schule durchaus passend. Mitgefühl ist eine menschliche Fähigkeit, die nicht nur Christen zukommt. Es kommt da auch etwas auf den Kontext an, in dem den Schülern diese Geschichte präsentiert wird. Der Martin hatte ein paar gute Ideen. Er war aber in der Umsetzung nicht besonders konsequent. Ich hab mich immer gefragt, warum er dem Bettler nicht einfach den ganzen Mantel schenkt. Als Sohn eines Militärtribuns hätte er sich vermutlich leicht einen neuen leisten können. Wahrscheinlich hat er sich eh einen neuen gekauft. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er für seinen Job in Konstantins Leibwache noch jahrelang mit einem halben Mantel herumgeritten ist. Irgendwann kam er auf die Idee den Militärdienst zu verweigern. Leider ist nicht bekannt, warum. Und als ihm die Entlassung versagt wurde, war er eben weiter Soldat im Kampf gegen die germanischen Stämme. Später hat er sich (erfolglos) gegen die Hinrichtung von Priscillian eingesetzt. Als er den "Henkern" die eucharistische Gemeinschaft versagte, hat er so viel Druck bekommen, dass er sich das schnell wieder anders überlegt hat. Insgesamt also ein Mann, der für seine Überzeugung nicht bis zur letzten Konsequenz geht. (Biographische Daten sind von Wikipedia und dort ohne Beleg).

Franziskus (den Papst) verstehe ich in seiner Ansprache so, dass er sich nur an die Christen wendet. Daraus zu konstruieren, dass er den anderen die menschliche Würde abspricht ist schwierig. An einer Stelle sagt er, die Heiligkeit sei ein Geschenk, das ohne Ausnahme allen Menschen angeboten wird. Leider sagt er aber nichts dazu, ob Nicht-Christen auch heilig werden können. Ich glaube die Dogmatik ist, man kann als Nicht-Christ nur heilig werden und in den Himmel statt in die Hölle kommen, wenn man in seinem ganzen leben nichts vom Christentum gehört hat. Wenn einem aber das Christentum bekannt geworden ist und man sich nicht taufen lässt, dann bleibt man verdammt -- unabhängig davon, wie gütig, mitleidvoll und liebenswürdig man sein Leben gestaltet. Bin mir über die Dogmatik nicht ganz sicher und zu faul zu recherchieren. Lasse mich gerne korrigieren.
Christel
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

mar hat geschrieben:Ich hab mich immer gefragt, warum er dem Bettler nicht einfach den ganzen Mantel schenkt. Als Sohn eines Militärtribuns hätte er sich vermutlich leicht einen neuen leisten können.
Ich denke dabei an Ex. 22,25f:
„Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist seine einzige Decke, der Mantel, mit dem er seinen bloßen Leib bedeckt. Worin soll er sonst schlafen? Wenn er zu mir schreit, höre ich es, denn ich habe Mitleid.“

Ist der Mantel groß und weit genug, dann kann er zwei Menschen zur Nacht bedecken.
Es ist nicht immer möglich sich schnell einen Mantel zu kaufen, wenn es Nacht wird. Und mit Geld kann man sich nicht zudecken. Insofern ist es sehr sinnvoll den Mantel zu teilen. https://www.youtube.com/watch?v=LhFmiVUiZZw
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von mar »

Jaa, Christel. Und ich denke dabei an: "Nimmst du von einem Mitbürger das Pferd zu Pfand, dann sollst du es bis Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist sein einziges Fortbewegungsmittel, das Pferd, mit dem er die heiße Wüste durchreitet. Wie soll er sonst die nächste Oase erreichen? Wenn er zu mir schreit, höre ich es, denn ich habe Mitleid.“ Evangelium des Mar 23, 42.

Nur gut das der Martin nicht auf die Idee gekommen ist das Pferd zu teilen. Und vielleicht ist er ja nach dem barmherzigen Akt in ein gut beheiztes Offiziersquartier geritten. Oder gleich in die römische Therme. :)

Sorry, nicht böse sein. Die Versuchung war einfach zu groß für mich. Ich meine immer noch, dass Mitgefühl ein wichtiges Thema für Grundschüler ist. Oder sein sollte.
mar
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von mar »

Sag mal, Christel, wie bist Du eigentlich auf die Exodus-Stelle gekommen?
Christel
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

mar hat geschrieben:Sag mal, Christel, wie bist Du eigentlich auf die Exodus-Stelle gekommen?
Intuitiv!
Da ich mich in der Bibel auskenne, liegt die Assoziation auf der Hand.

Ich habe jetzt gegoogelt und folgendes entdeckt [Hervorhebung durch Unterstreichen von mir]:
Nächstenliebe

Schutzrechte für die Armen und Fremden
Nächstenliebe ist nach dem Eigenkontext des Gebots keine reine Emotion und freiwillige Zusatzleistung, sondern Pflichthandeln jedes Israeliten, das vorrangig den Bedürftigen zugutekommen soll. Deshalb ist sie kein Gegensatz zum „Zurechtweisen“ eines Streitgegners, sondern erinnert diesen an das Lebensrecht der Recht- und Besitzlosen. Sie gilt gerade den Randgruppen, Unterdrückten und Benachteiligten und wird daher in zahlreichen Einzelgeboten konkretisiert, etwa:
• der Überlassung des Ernterestes,
• sofortiger Auszahlung des Tagelohns,
• Verbot von Diebstahl, Raub, Täuschung, Betrug, Übervorteilung, Verleumdung, parteilicher Rechtsprechung usw.
Vor der Unterdrückung der Fremden warnt die Tora mehrfach (Ex 22,20–23; 23,6.9). Sie werden den „Witwen und Waisen“, das heißt den mittellosen Randgruppen ohne Versorger, an die Seite gestellt und erhalten wie diese die Zusage, dass JHWH ihr Schreien erhören werde. Sie zu kleiden, zu speisen und zu lieben wird gesondert geboten (Dtn 10,19). Die Ernteabgabe des Zehnten soll alle drei Jahre an die Fremden, die Witwen und Waisen im Land fließen (Dtn 14,28 f).
Besonderes Augenmerk widmet die Tora Schutzrechten, die bedrohte Randgruppen vor völligem Ausgeliefertsein schützen sollen. Das Pfandrecht wird durch das Existenzminimum begrenzt, dazu wird das Pfänden des einzigen Mantels eines Obdachlosen verboten (Ex 22,25f; Dtn 24,6.10–13). Auch das Verbot des Zinsnehmens (Ex 22,24; Dtn 23,20 f; Lev 25,35 ff) dient dem Schutz des Nächsten vor Verschuldung; ausgenommen werden in Dtn 23,21 nur ausländische Händler. Im Erlassjahr soll alle sieben Jahre jeder aus Notlagen heraus veräußerte Landbesitz wieder an den ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden, damit jeder Israelit sein Auskommen hat (Lev 25; Dtn 15).[8]


Christi Selbsthingabe als Begründung der Nächstenliebe


Mt 25,40 deutet die Werke der Barmherzigkeit christologisch:
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Jesus ist demnach in den Armen jeder Zeit gegenwärtig, so dass Nächstenliebe für diese zugleich Gottesliebe ist. An diesem Maßstab würden alle Menschen, Christen wie Nichtchristen, zuletzt im Endgericht gemessen werden. Nicht das richtige Glaubensbekenntnis, sondern das Tun des Willens Gottes – eins der häufigsten Verben im Munde Jesu – sei zuletzt entscheidend (Mt 7,21 EU).
Jesus selbst erfüllte nach dem NT diesen Willen Gottes ganz, indem er zuletzt sein eigenes Leben zur Rettung „der Vielen“ aus dem erwarteten Endgericht hingab (Mk 10,45 EU; 14,24 EU). Diese Hingabe fasst Jesu Sendung zusammen (Lk 22,27 EU):
„Ich bin unter Euch wie ein Diener.“
Der Philipperhymnus beschreibt den Dienst Jesu Christi als Machtverzicht des Sohnes Gottes und Selbsterniedrigung in den Kreuzestod zugunsten der Menschlichkeit aller Menschen, damit diese den wahren menschgewordenen Gott erkennen und wie er handeln können (Phil 2,5–11 EU).
http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%A4chstenliebe


An einem Tag im Winter begegnete Martin am Stadttor von Amiens einem armen, unbekleideten Mann. Außer seinen Waffen und seinem Militärmantel trug Martin nichts bei sich. In einer barmherzigen Tat teilte er seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem Armen. In der folgenden Nacht sei ihm dann im Traum Christus erschienen, bekleidet mit dem halben Mantel, den Martin dem Bettler gegeben hatte.
Im Sinne von Mt 25,35–40 EU – „Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet … Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ – erweist sich Martin hier als Jünger Jesu.[1]
http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_von_Tours
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von mar »

Wow, wow, wow, Christel. Ich reiche Dir einen kleinen Finger, indem ich das Schattenspiel an der Schule nicht von vorneherein in Grund und Boden verdamme. Und Du nimmst meine ganze Hand und drückst eine dicke, fette Bibel hinein, aufgeschlagen bei Ex 22. Und dann haust du mir umfangreiche Auslegungen von Wikipedia um die Ohren. Hast Du soviel Einfühlungsvermögen, um zu erkennen, dass meine Reaktion wahrscheinlich nicht darin besteht, auf die Knie zu fallen und in Freudestränen auszubrechen?

Was Wikipedia-Autoren sagen, interessiert mich erstmal gar nicht. Ich will wissen, was Du selbst über Mitgefühl denkst. Könntest Du mir helfen Ex 22, 25-26 Schritt für Schritt auszulegen? Als Erstes: Wer ist derjenige, der dort von sich sagt: "Ich habe Mitleid"?.
Christel
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Mein Beitrag von Christel » Do 01 Jan, 2015 18:03 war inhaltlich gut, sachlich und korrekt.
Mar, Du wechselst in Deiner Antwort die Ebenen wirst persönlich. Im Zentrum Deiner Antwort stehst Du selbst, Du und immer nur Du.
mar hat geschrieben:Hast Du soviel Einfühlungsvermögen, um zu erkennen, dass meine Reaktion wahrscheinlich nicht darin besteht, auf die Knie zu fallen und in Freudestränen auszubrechen?
Ja!
Doch, weshalb solltest Du im Zentrum meiner Bemühungen stehen? Wieso sollte es mir darum gehen Dich glücklich zu machen? Wir kennen uns nicht. Wir schreiben uns nicht persönlich.

Ich schreibe in einem öffentlichen Forum!
Hier zählen gute sachliche Beiträge, die mehreren Menschen etwas bringen.
Ich greife Fragen, Thesen … auf und antworte allen Lesern.
mar hat geschrieben:Ich will wissen, was Du selbst über Mitgefühl denkst. Könntest Du mir helfen Ex 22, 25-26 Schritt für Schritt auszulegen? Als Erstes: Wer ist derjenige, der dort von sich sagt: "Ich habe Mitleid"?.
Ex 22, 25-26:
Ich fasse den Text weiter, denn dadurch wird Kontext deutlich, also Ex 22,20-26:
Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.
21 Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen.
22 Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören.
23 Mein Zorn wird entbrennen und ich werde euch mit dem Schwert umbringen, sodass eure Frauen zu Witwen und eure Söhne zu Waisen werden.
24 Leihst du einem aus meinem Volk, einem Armen, der neben dir wohnt, Geld, dann sollst du dich gegen ihn nicht wie ein Wucherer benehmen. Ihr sollt von ihm keinen Wucherzins fordern.
25 Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben;
26 denn es ist seine einzige Decke, der Mantel, mit dem er seinen bloßen Leib bedeckt. Worin soll er sonst schlafen? Wenn er zu mir schreit, höre ich es, denn ich habe Mitleid.
Zu Anfang erinnert Ex 22,20 die Israeliten an ihre Zeit in Ägypten. Das Buch Exodus spricht von Sklaven, Unterdrückung, Klageschreie und von Gott, der die Klagen hört und mit „Ich bin da“ (JHWH/ Jahwe) antwortet. „Ich bin da“ - „Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.“ (Ex 3,15)… „Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch in Ägypten antut.“ "Darum habe ich beschlossen, euch aus dem Elend Ägyptens hinaufzuführen." Ex 3,16 f.)
Erzählt wird im Folgenden die große Geschichte der Befreiung. An die nunmehr freien Männer richtet Ex 20,1-21 den Dekalog, sozusagen das „Grundgesetz“, die uns bekannten „Zehn Gebote“. Es folgen weitere Gebote. Hier in Ex 22,20-26 ausdrücklich zum Schutz vor Unterdrückung und Ausbeutung.

„ich habe Mitleid“ das sagt in Ex 22,26 Gott!
Interessant ist der Zusammenhang zwischen Mitleid und Hören. Mitleid bewirkt das Hören.

Übersetzungen:
Martin Buber übersetzt dieselbe Stelle allerdings so: „so wird’s sein, wenn er zu mir schreit, will ichs erhören, denn ein Gönnender bin ich.“
„wenn-er-schreit zu-mir, ihn-erhören-ich-will-da barmherzig-denn ich(bin). Interlinearübersetzung von Rita Maria Steuerer
mar hat geschrieben:Ich meine immer noch, dass Mitgefühl ein wichtiges Thema für Grundschüler ist. Oder sein sollte.
mar hat geschrieben:Ich will wissen, was Du selbst über Mitgefühl denkst.
Mitgefühl ist einerseits biologisch angelegt, andererseits ist es auch eine Frage der „Erziehung“ und der eigenen Entscheidung. Man kann es in gewissen Rahmen lernen. Mitgefühl ist letztlich Empathie.
Dieses Vermögen kann auch zum eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer Menschen angewandt werden. Daher ist „Mitgefühl“ in Zusammenhang mit St. Martin und Ex 22,26 ein schwaches Wort.

Mit „Mitleid“ übersetzt die Einheitsübersetzung Ex 22,26. Dieses Wort ist stärker, denn es bezeichnet nicht nur Einfühlungsvermögen sondern „mitleiden“, ebenfalls leiden, weil ein anderer leidet. Trotzdem ist mir „Mitleid“ auch zu wenig. Was hältst Du von einem Martin, der Mitleid hatte und weiterritt? - Der Mensch ist kein „Ding“, bei dem ein Auslöser (Ursache) genau eine bestimmte Reaktion (Folge) bewirkt. Der Mensch ist fähig zur (Selbst)Reflektion. Es gibt viele Gründe so oder so zu handeln.

Am stärksten ist „Barmherzig“ wie es sie Interlinearübersetzung vorschlägt. In Barmherzig sein, steckt nicht nur das Wort „Herz“, steckt „Großherzigkeit“. Barmherzig sein ist immer mit einer entsprechenden Handlung verbunden, kein bloßes Gefühl.

Auch Sankt Martin hat nicht einfach Mitgefühl oder Mitleid. St. Martin ist barmherzig.
Barmherzigkeit ist im Alltag eher ein Fremdwort. Barmherzigkeit ist leider ein aus der Mode gekommenes Wort. Barmherzigkeit ist leider eine aus der Mode gekommene Tugend.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
mar
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von mar »

Huhu Christel, ich stimme Dir zu, und finde Deinen Beitrag vom 1. Januar auch gut, sachlich und korrekt. Stehe aber im Zentrum meiner Antworten ich selbst, ich und immer nur ich? In gewissem Sinne ja, schließlich sind es ja (meistens) meine Antworten und nicht beliebige Antworten oder irgendein Text, den ich von irgendwo zusammenkopiert habe. Das Ich besteht jedoch immer nur in Beziehung zu etwas anderem. Allein und isoliert ist das Ich nicht erkennbar. Eine Möglichkeit das Ich erkennbar oder erfahrbar zu machen, ist zu sagen: Das Ich erkennt sich erst im Du (Martin Buber). Und indem ich Dir mitteile, wie es in meinem Ich aussieht, gebe ich Dir die Chance, Dich in meinem Ich zu erkennen. Andersherum bemühe ich mich darum, mein Ich in deinem Du zu erkennen. Ich gebe gerne zu, dass ich dabei nicht immer besonders geschickt bin. Aber ich fand, dass in Deiner Antwort relativ wenig Du zu entdecken ist. Deshalb hatte ich konkret nachgefragt, was Du selbst darüber denkst. Das in der Öffentlichkeit des Forums auszuprobieren, wo auch andere mitlesen und etwas beitragen können, finde ich ja gerade reizvoll. Wenn die Postings hier nichts Persönliches enthalten sollen, dann könnten wir auch einen Bot oder Troll damit beauftragen, die Diskussion zu beleben. :]

Deinen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Mitleid und Hören empfinde ich als einen sehr schönen Gedanken. Persönlich würde ich jedoch diese Perspektive erweitern und sagen: Ohne Hören kein Mitleid, aber ohne Mitleid auch kein Hören. Hören und Mitleid stehen in einer Beziehung. Ähnlich wie Bubers Ich und Du. Und ähnlich auch wie Nichts und Etwas, deren Beziehung ich an anderer Stelle (erfolglos?) versucht habe zu erklären.

Vielen Dank für Deine Begriffsbestimmungen zu Mitgefühl, Mitleid und Barmherzigkeit. Ich hatte selbst Gedanken dazu, die in eine ähnliche Richtung gehen.

Mitgefühl und Mitleid: Ich stimme Dir zu, dass es eine Anlage dazu gibt, die aber auch entwicklungsfähig ist. Die Begriffe Mitgefühl und Empathie haben auch für mich sehr viel gemeinsam. Bei mir schwingt aber auch die Konnotation mit, dass Mitgefühl etwas paralleles, eher getrenntes ist -- Gefühl von zwei Personen nebeneinander. Während Empathie eine Richtung angibt und mehr mit dem Bemühen verbunden ist, sich einzufühlen und den Anderen zu verstehen. Ich stimme auch zu, dass Mitgefühl zum Nachteil oder Vorteil angewandt werden kann und nicht notwendigerweise in eine Handlung übergehen muss. Von daher ist Mitgefühl auf die Martinslegende angewandt tatsächlich ein schwacher Begriff. Ich verwende aber den Begriff manchmal gerne, weil er allgemeiner und breiter ist als Mitleid: Mitgefühl bezieht sich nicht nur auf Leid, es kann sich auch z. B. auf Freude beziehen, die man gemeinsam teilen kann.

Die Ansicht, dass der Mensch kein Ding ist, bei dem ein Auslöser (Ursache) genau eine bestimmte Reaktion (Folge) bewirkt, teile ich. Meine Perspektive dazu: "ein System ist autonom, wenn es dazu fähig ist, seine eigene Gesetzlichkeit beziehungsweise das ihm Eigene zu spezifieren" (Maturana und Varela in Der Baum der Erkenntnis). Mir ist klar, dass Dir diese Wendung vom nicht auf simple Weise ursächlich Determinierten zur Autonomie wahrscheinlich nicht ganz behagen wird, weil du vielleicht die Autonomie des Menschen als Angriff auf seine Bindung an Gott verstehen wirst. Es ist halt nur meine Perspektive (und Maturanas und Varelas), die ich trotzdem gern beisteuern wollte. :)

Barmherzigkeit: Mir sagt der Begriff Barmherzigkeit in seiner Kernbedeutung sehr viel und ich stimme Dir zu, dass hier anders als bei Mitleid und Mitgefühl die Konnotation des Handelns sehr deutlich mitschwingt. Allerdings sehe ich auch, dass Barmherzigkeit sehr stark im Kontext der christlichen Religion steht und sehr viele Assoziationen in diesem Bereich hat. Wenn ich also bei einem Thema gerne darauf hinweisen möchte, dass Mitgefühl eine universale menschliche Anlage ist und nicht nur im Kontext spezifischer Religionen bedeutsam ist, dann scheue ich mich, den Begriff Barmherzigkeit zu verwenden, weil er (zumindest für mein Verständnis) sehr stark christlich besetzt ist. Und ja, Martin ist barmherzig. Im Zusammenhang mit Martin ist der Begriff stark und treffend, ohne Frage.

Nach langer Rede kurze Frage: Derjenige, der in Ex 22, 26 sagt "ich habe Mitleid" ist also Gott. Und dieser Gott ist ein sehr persönlicher Gott. Er hört zu. Und er leidet mit. Man könnte sogar sagen, er ist ein sehr menschlicher Gott, insofern er mit uns Menschen die Eigenschaft teilt, Gefühle zu haben. Stimmst du mir darin zu?
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von niels »

Die Ansicht, dass der Mensch kein Ding ist, bei dem ein Auslöser (Ursache) genau eine bestimmte Reaktion (Folge) bewirkt, teile ich.
Das mechanistische Weltbild, welches Religiöse bis heute heranziehen, um die "Notwendigkeit" von Religion oder gar Existenz eines Gottes zu "beweisen", ist seit mehr als hundert Jahren überholt und somit nicht der Naturwissenschaft zuschreibbar. Bereits "Zufallsprozesse" (wie sie die moderne Physik kennt) führen bei einem derlei komplexen System wie einem Lebewesen dazu, das die selbe "Ursache" gem. Vorhersage verschiedene Reaktionen zur Folge haben kann, für die man maximal eine Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann / können wird.

Persönlichkeit ist aber kaum mehr als die im negentropischen System Lebewesen steckenden "Erfahrungen" (sowie deren "Gegenwirkung" auf das Universum) bzw. "Informationen" - zumindest gibt es weder Beobachtungen noch andere Gründe, die die Annahme rechtfertigen, das es davon losgelöste oder über diese hinausreichende "Besonderheiten" git, die das System Lebewesen spezifizieren - zum Individuum machen.
Ohne Hören kein Mitleid, aber ohne Mitleid auch kein Hören. Hören und Mitleid stehen in einer Beziehung.
Nein, "hören" ist nicht mehr und nicht weniger als der Empfang akustischer "Information" - "bewusstes Hören" inkludiert den Prozess der Verarbeitung (d.h. min. Filterung und [teilweise] Speicherung) der "Hörereignisse" - Hören ist sehr wohl ohne "Mitleid" möglich. Aber derlei Versuche der Umdeutung finden sich bekanntlich viele in faschistoiden / diskriminierenden Ideologien - z.B. "Arbeiten" ist nur, was eine bestimmte Gruppe tut und hier nun: Hören ist nur, was eine bestimmte (ideologische) Gruppe tut etc.pp.. So verschafft man sich die Basis zur Diskriminierung anderer wie Andersdenkender...

Mitleid ist eine Form sozialer Empathie, die vor allem vielen sozialen Lebewesen eigen ist - sozial deshalb, weil sie auf soziale Interaktionen angewiesen sind um zu überleben bzw,. die Art zu erhalten. Es hat sehr wohl rationale wie bereits in einen Teilen naturwissenschaftlich nachvollziehbare Ursachen. Vor allem aber dürfte schon die gerade unter Religiösen und anderen ideologisch den Menschen über die Natur Stellenden Idee, das Mitleid "Bewusstsein" auszeichnen oder gar dem Menschen exklusiv eigen sei, spätestens bei wissenschaftlicher / sachlicher Betrachtung nicht haltbar sein.
Mitgefühl und Mitleid: Ich stimme Dir zu, dass es eine Anlage dazu gibt, die aber auch entwicklungsfähig ist
Was Religionen und Ideologen seit Jahrtausenden immer wieder behaupten/postulieren - vor allem in der bei eingehenderer Betrachtung schlichtweg naiven Idee, das Liebe "menschlich" sei, während es Haß nicht sei (sondern durch "Böse Dritte" oder sonstige "Verunreinigungen" verursacht) und das eine Gesellschaft dann die menschlichste sei, wenn sie nur noch Liebe, aber keinen Haß kenne (eine Idee, an der bereits Freud seine wahre Freude hatte). Liebe ist ebensowenig ohne Haß möglich wie Altruismus ohne Egoismus. Tatsächlich ist Altruismus eine weitgehend naive Idee, da letztlich Jedes Handeln von Menschen egoistisch geprägt ist - zumindest nicht ohne erwarteten Zugewinn für das Ich stattfindet - und das ist auch kein Problem, wenn man so ehrlich zu sich selbst wäre. Würden sich alle Menschen aneinander festhalten und allein dem anderen vertrauen, leichte dies wie Buddhas Gruppe Blinder, die sich aneinander festhalten und dabei auf die anderen verlassen, in der festen Überzeugung so den Weg um Ziel zu finden.

Und wer nur einmal genauer hinschaut, wenn er derlei Moralisten a la Jesus, Luther oder die späteren Formen des Protestantismus wie Marx, Kants "Philosophie", oder christlich erzogener bzw. geprägter Gutmenschen solcher Massenmörder wie Che Guevara, Stalin, Mao & Co., der erkennt, das das Problem nicht die Umsetzung der Idee ist, sondern der Fehler schon in den ideologischen Grundpfeilern der Doktrin der Bessermenschelei wie ihrer Unehrlichkeit dahinter zu finden ist und sie sich schon deshalb ideal für die Entwicklung von Diktaturen - also der gezielten Machtkonzentration bei einer Gruppe bis einzelnen - eignen. Die Sucht nach Abhängigkeit von anderen Menschen wird bis heute maximal in Fachkreisen thematisiert - gilt aber in der Allgemeinheit maximal in exotischen Sonderfällen (da dieser nur dann "auffallend") als krankhaft. Es gibt nun mal Menschen (denn auch das ist menschlich), die gern als Sklave eines Herrn dienen und dafür auch (selbstverständlich ganz altruistisch) bereit sind, anderen (die das für sich nicht wollen) das "Glück" der Sklaverei zu verschaffen, denn nur durch ultimative Abhängigkeit ist es (scheinbar) möglich, persönliche/individuelle Verantwortung lweitestgehend loszuwerden - d.h. auf andere zu übertragen, was nicht zuletzt bedeutet, diesen auch die eigene Freiheit zu überlassen, denn Verantwortung und Freiheit sind voneinander untrennbar.
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

Ungelesener Beitrag von Christel »

Mar, es besteht die Möglichkeit, dass jemand Sachinformationen nur zur Information einstellt, wie bei den Nachrichten. Diese können mit der eigenen Meinung übereinstimmen, sie können ihr sogar widersprechen.

Im Verlauf einer Diskussion, als Antwort kann man in der Regel jedoch davon ausgehen, dass die Schreiber in einem Forum eine subjektive Auswahl treffen. Sie stellen die Informationen und Meinungen ein mit denen sie sich in einem hohen Maß identifizieren können. Folglich kann man auch in einem Forum gar nicht kommunizieren ohne etwas über sich selbst Preis zu geben. Wie viel und ob jemand anonymisiert schreibt oder mit vollem echten Namen, obliegt jedoch der Entscheidungsfreiheit eines jeden Schreibers. Dies ist unbedingt zu respektieren.

Eine „Ich-Du-Beziehung“ (Martin Buber) lebt nicht nur von Nähe, sondern gleichermaßen auch von der Distanz. Man kann einem Menschen zu nahe treten, ihm keine Luft zur eigenen Entfaltung lassen… u.v.m. wäre zu nennen, die eine Beziehung / Kommunikation scheitern lassen.
mar hat geschrieben:Bei mir schwingt aber auch die Konnotation mit, dass Mitgefühl etwas paralleles, eher getrenntes ist -- Gefühl von zwei Personen nebeneinander. Während Empathie eine Richtung angibt und mehr mit dem Bemühen verbunden ist, sich einzufühlen und den Anderen zu verstehen.
Genau das kann dem Hören enorm im Wege stehen. In dem Augenblick, wo ich mich in den anderen hineinversetze, bringe ich mich selbst mit meinen Erfahrungen und mit meiner eigenen Gefühlswelt ein. Umso überzeugter ich davon bin, dass es mir auf diese Weise gelungen ist den anderen zu verstehen, umso weniger nehme ich ihn tatsächlich noch war.

Zudem verleitet es zu spekulieren und diese Spekulationen öffentlich zu äußern. – Und ich sag Dir eins, es macht wirklich keinen Spaß, wenn man sich gegen spekulative Unterstellungen, die zudem nicht den Tatsachen entsprechen, wehren muss. So wie diese:
mar hat geschrieben:Mir ist klar, dass Dir diese Wendung vom nicht auf simple Weise ursächlich Determinierten zur Autonomie wahrscheinlich nicht ganz behagen wird, weil du vielleicht die Autonomie des Menschen als Angriff auf seine Bindung an Gott verstehen wirst.
Diese Spekulation ist umso unverständlicher, da ich mich gerade gegen eine Vorherbestimmung (Determinismus) und für die Autonomie des Menschen aussprach: Beitragvon Christel » Sa 03 Jan, 2015 18:05
Christel hat geschrieben:Der Mensch ist kein „Ding“, bei dem ein Auslöser (Ursache) genau eine bestimmte Reaktion (Folge) bewirkt. Der Mensch ist fähig zur (Selbst)Reflektion. Es gibt viele Gründe so oder so zu handeln.


Deine Spekulation lässt sich nicht mit meinem katholischen Glauben begründen. Es gibt zwar eine Vorherbestimmungslehre (Prädestination) doch diese wird von der Katholischen Kirche abgelehnt. Ich lehne sie auch persönlich ab!

Die Auffassung vom Menschen als autonomen Wesen bildet die Grundlage des christlichen Glaubens. Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich von Schuld / Sünde sprechen und ebenfalls nur unter dieser Voraussetzung ist das freie Ja zu Gott = Glaube möglich.
Nur ein autonomes Wesen ist gemeinschaftsfähig / bindungsfähig. Gibt es kein ICH, dann gibt es auch kein Ich und Du. - ICH (Mensch) wende mich an DU (Gott) im Gebet.
mar hat geschrieben:Allerdings sehe ich auch, dass Barmherzigkeit sehr stark im Kontext der christlichen Religion steht und sehr viele Assoziationen in diesem Bereich hat.
Das stimmt. Schließlich ist Jesus auch gerade wegen seiner Lehre der Barmherzigkeit gekreuzigt worden. Eine Lehre, die so gar nicht unserem Leistungs-, Anspruchs- und Gerechtigkeitsdenken entspricht. Nur stellt sich so natürlich die Frage, wie christlich sind wir wirklich? Wie christlich ist unsere Land wirklich? Christen sind doch Nachfolger Jesu, oder?

Christen sehen in Jesus nicht nur einen Lehrer, sondern den Sohn Gottes, ja Gott selbst der Mensch wurde. Das sehen nicht alle Menschen so. OK. Muslime sehen in Jesus zumindest einen Propheten.
Jeder hat so seine Ansichten. Jeder trifft damit eine Entscheidung. Das ist plausibel.
Nicht plausibel ist mir, etwas nicht zu tun, einen Begriff nicht zu verwenden nur weil dieser ganz zentral etwas mit Jesus zu tun hat.

Ich bin für den Begriff Barmherzigkeit. Er sagt nicht nur deutlicher als andere Begriffe, was zu tun ist (Sankt Martin), er sagt auch deutlich, was zu lassen ist.

Der Begriff „Barmherzigkeit“ (so assoziiere ich das) hebt alle Rollen auf mit denen wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen versachlichen.
Um ein Beispiel aus dem Alltag zu bringen, da ist nicht mehr das Personal, das eine Leistung zu erbringen hat mit der es dem „König Kunde“ zufrieden stellen muss. Sondern da ist ein Mensch der eine Leistung für einen anderen Menschen erbringt. Der Kunde ist nicht König, der über dem Personal steht, sondern ein Gast, der sich zu benehmen hat.

Da ist dann auch nicht mehr der Atheist, der Christ oder der Muslim, da ist schon gar kein Religiot. Sondern da sind Menschen, vielfältig, mit unterschiedlicher Meinung und das ist ok.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: "St Martin" in der staatlichen Regelschule Uder

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niels hat geschrieben:Das mechanistische Weltbild, welches Religiöse bis heute heranziehen, um die "Notwendigkeit" von Religion oder gar Existenz eines Gottes zu "beweisen"
Das ist mir neu! Wie begründest Du dies?

Zwar gibt es einen kausalen Gottesbeweis, doch hat der weder an Logik eingebüßt noch ist er von der Naturwissenschaft widerlegt worden, denn auch der Zufall ist eine Ursache:
Beim kausalen Gottesbeweis geht es darum, dass alles, was ist, eine Ursache (Causa) haben muss. Logischerweise kann man die Reihe der Ursache nicht ewig fortsetzen. Die ursprünglichste Ursache wird vom Philsophen Aristoteles als „unbewegten Beweger“ bezeichnet. Später wird das ganze von Thomas von Aquin aufgegriffen.http://www.kathpedia.com/index.php?title=Gottesbeweis
Zudem entspricht ein mechanistisches Weltbild weit mehr einem naturwissenschaftlichen als einem religiösen Weltbild. Zwar muss ich zugeben, dass insbesondere der erste biblische „Schöpfungsbericht“ (ca. vor 2500 Jahren verfasst) sehr zu einem mechanischen Weltbild beitrug, doch damit widersprach er gerade dem religiösen Weltbild. Die Religionen sahen die Natur / die Welt immer als lebendig an. Die Himmelskörper wurden als lebendige Götter verehrt. In Gen 1 sind sie dann lediglich Lampen, die Gott ans Himmelszelt gehängt hat.

Folglich besteht weder ein Grund hier verallgemeinernd über Religiöse zu sprechen, noch das mechanische Weltbild als das religiöse im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Weltbild anzusehen. Das naturwissenschaftliche Weltbild denkt sachlich, mechanisch, kausal in Ursache und Wirkung. Gerade dieses mechanische Weltbild wird von atheistischer Seite benutzt, um Gott auszuschließen, da er sich in die Prozesse von Ursache und Wirkung nicht einbauen lässt. – Dass der kausale Gottesbeweis Gott dort gar nicht einbaut und Gott seit 2500 Jahren sowieso nicht als Teil, sondern unabhängig von der Natur existierend angesehen wird, dass wird dabei freilich ignoriert.
niels hat geschrieben:Persönlichkeit ist aber kaum mehr als die im negentropischen System Lebewesen steckenden "Erfahrungen" (sowie deren "Gegenwirkung" auf das Universum) bzw. "Informationen" - zumindest gibt es weder Beobachtungen noch andere Gründe, die die Annahme rechtfertigen, das es davon losgelöste oder über diese hinausreichende "Besonderheiten" git, die das System Lebewesen spezifizieren - zum Individuum machen.
Hiermit bestätigst Du ein mechanisches deterministisches Weltbild und überträgst dies auf Lebewesen.
Schon Neugeborene sind individuell, obgleich sie kaum über Erfahrungen verfügen. Ähnliche Erfahrungen, Erziehung… führen eben nicht zu denselben Resultaten. Und es gibt auch kaum Umstände, die ein bestimmtes Verhalten zu Folge haben.
Aus seinen Erfahrungen im KZ schreibt dementsprechend Viktor E. Frankl „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“ 15. Aufl. München, Piper 2002 S. 177
Aus all dem können wir lernen: es gibt auf Erden zwei Menschenrassen, aber auch nur diese beiden: die „Rasse“ der anständigen Menschen und die der unanständigen Menschen. Und beide „Rassen“ sind allgemein verbreitet: in alle Gruppen dringen sie ein und sickern sie durch; keine Gruppe besteht ausschließlich aus anständigen Menschen und ausschließlich aus unanständigen Menschen, in diesem Sinne ist also keine Gruppe „rassenrein“ – nun, und so gab es den einen oder anderen anständigen Kerl eben auch unter der Wachmannschaft.
niels hat geschrieben:Nein, "hören" ist nicht mehr und nicht weniger als der Empfang akustischer "Information" - "bewusstes Hören" inkludiert den Prozess der Verarbeitung (d.h. min. Filterung und [teilweise] Speicherung) der "Hörereignisse" - Hören ist sehr wohl ohne "Mitleid" möglich. Aber derlei Versuche der Umdeutung finden sich bekanntlich
Du hast „Hören“ technisch exakt wiedergegeben.
Ich stimme zu, Sprache bestimmt unser Denken, über Sprache und Definitionen werden wir beeinflusst, ja auch manipuliert. Daher ist es wichtig auf die richtige Wortwahl, Inhalte, Definitionen zu achten.
Doch nicht eine technisch exakte Definition ist richtig, sondern die, die einen konkreten Sachverhalt richtig wiedergibt. Daher muss ich Dir hier widersprechen:
Wird in der Bibel ausgesagt, dass Gott hört, dann geht es weder um den >>Empfang akustischer "Information" noch um den << Prozess der Verarbeitung<<, sondern um Erhörung durch Gott.

Dass Mitleid dem Menschen exklusiv zu eigen sei, hat hier niemand behauptet. Allerdings hat der Mensch größere Möglichkeiten als ein Tier es zu reflektieren, auch sich selbst und damit kreativ umzugehen.
niels hat geschrieben:Liebe ist ebensowenig ohne Haß möglich wie Altruismus ohne Egoismus. Tatsächlich ist Altruismus eine weitgehend naive Idee, da letztlich Jedes Handeln von Menschen egoistisch geprägt ist - zumindest nicht ohne erwarteten Zugewinn für das Ich stattfindet - und das ist auch kein Problem, wenn man so ehrlich zu sich selbst wäre.
Liebe und Hass sind starke menschliche Gefühle. Wer zu starken Gefühlen neigt, ist vermutlich zu beidem fähig. Diesen Gefühlen ist der Mensch jedoch nicht hilflos ausgeliefert, so dass er ihnen blind folgen muss. Er kann sie reflektieren und kreativ damit umgehen. Zudem ist Liebe nicht nur ein Gefühl, sondern etwas, was man in gewissen Rahmen lernen und bewusst anwenden kann. Die Vorstellung, das Liebe nicht ohne Hass sein kann, entspringt einem dualistischen deterministischem mechanischem Denken.

Dass der Mensch ein egoistisches auf Zugewinn orientiertes Wesen ist, entspricht dem Menschenbild der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.
Doch weshalb nimmt die Zahl der depressiven Menschen gerade in unserer Wohlstandsgesellschaft zu? Ist der Zugewinn zu gering?
Weshalb sind Menschen bereit, sogar auf Zugewinn zu verzichten, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, weil beispielsweise ungerecht geteilt wird? Weshalb legt ein Mensch Wert darauf nicht käuflich zu sein? Weshalb folgt der Mensch Idealen? Weshalb kann der Mensch verzichten, opfern, wenn er eine Sache für sinnvoll hält, obwohl sie ihm nichts bringt?
Also, ich halte dieses kapitalistische darwinistische Menschenbild für falsch.

Ja die „Moralisten“, die „Bessermenschen“… nun das war Jesus nicht. Ja das hat man ihm übelgenommen „Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner und Sünder!“ Lk 7,34

Niels, nimm es mir nicht übel. Aber ehrlich gesagt, nach meinem Empfinden moralisierst Du selbst leider in Deinen Beiträgen häufig sehr. – Nun ja, es ist auch schwierig sich über die Moralisten, Bessermenschen, Religiösen, Ideologen… aufzuregen ohne selbst zu moralisieren.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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