Papst rechnet mit dem Vatikan ab

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Heinrich5
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Papst rechnet mit dem Vatikan ab

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Papst Franziskus hat Machtstreben, Geldgier und Eitelkeit in der Kirchenführung beklagt. In seiner Weihnachtsansprache vor den Chefs und leitenden Mitarbeitern der Vatikanbehörden listete er im Vatikan 15 "Kurienkrankheiten" auf, darunter Exhibitionismus, Karrieremacherei, Arroganz, Hartherzigkeit und Geschwätzigkeit. "Eine Kurie, die sich nicht selbst kritisiert, auf den neuesten Stand bringt und verbessert, ist ein kranker Körper", sagte das katholische Kirchenoberhaupt bei dem Empfang. Zugleich gab er zu bedenken, diese Krankheiten seien eine Gefahr für jeden Christen.

Deutlich rügte Franziskus das Ansammeln materieller Güter durch Kurienmitglieder. Ohne den früheren Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone und dessen neue Luxuswohnung im Vatikan zu erwähnen, betonte er: "Unsere Umzüge sind ein Zeichen dieser Krankheit." Besonders dringend sei es, die "existenzielle Schizophrenie" derjenigen zu heilen, die unter Missachtung der strengen Lehren, die sie anderen erteilen, ein ausschweifendes Leben führen. Diejenigen, die sich anderen überlegen fühlten und ihnen nicht dienten, litten an der "Pathologie der Macht". Als Gegengift gegen diese "Epidemie" empfahl Franziskus, sich die eigene Sündhaftigkeit bewusst zu machen.

Sowohl übermäßige Planung als auch "geistige Versteinerung" und mangelnde Koordinierung drohen nach den Worten des Papstes das Wesen der Kirche zu verfälschen. "Spiritueller Alzheimer" führe zur Abhängigkeit von häufig selbst konstruierten Glaubensüberzeugungen, fügte Franziskus hinzu. Die "Vergötterung der Chefs" führt seinen Worten zufolge zu Untertänigkeit und Opportunismus. Wer andere mit Arroganz und übertriebener Härte behandle, verberge die eigene Unsicherheit vielfach hinter theatralischer Strenge, mahnte der Papst. Zwar hat Franziskus noch nie mit Kritik an der Kirchenbürokratie gespart. Doch so deutliche Worte hat das Oberhaupt der katholischen Kirche bisher selten gefunden.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte Franziskus als erster nicht-europäischer Papst seit mehr als 1000 Jahren die Reform der Kurie angestoßen. Er will die Kirchenführung wieder näher an die rund 1,2 Milliarden katholischen Gläubigen weltweit heranführen. Die Kurie ist traditionell von italienischen Geistlichen dominiert. Ihr wird vorgeworfen, selbst gegen Päpste wie Franziskus' Vorgänger Benedikt gearbeitet und dafür Medien wiederholt mit Interna aus dem Vatikan gefüttert zu haben

Noch mehrere Male und zu unterschiedlichen Anlässen wird sich Papst Franziskus in den kommenden Tagen an die Öffentlichkeit wenden. In seiner Weihnachtsbotschaft am Mittag des 25. Dezember dürfte er zu Frieden und Gerechtigkeit in den Krisenherden der Welt aufrufen.

http://www.welt.de/print/welt_kompakt/a ... an-ab.html

Kommentar zur Rede an die Kurie

Machtwort und Hilferuf
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Es war eine schonungslose Diagnose des Papstes: die Kurie, die Kirchenverwaltung in Rom ist von 15 Krankheiten befallen, ein Patient im finalen Stadium. Franziskus attestiert seinen engsten Mitarbeitern existentielle Schizophrenie, geistliches Alzheimer und sozialen Exhibitionismus. Die Wortwahl finde ich fragwürdig. Aber die Botschaft ist angekommen.

Auch 20 Monate nach seiner Wahl trifft der Papst im Vatikan auf Menschen, die ein Doppelleben führen, die sich in die Verwaltungsarbeit stürzen, aber geistlich verkümmern, die nach Ehre, Titeln und Schlagzeilen trachten, aber nicht nach dem Besten der Kirche.

Franziskus nennt keine konkreten Fälle und schließt sich selbst nicht aus. Doch wenn der Papst die Seilschaften im Vatikan kritisiert oder die Karrieristen im Priestergewand, dann gibt es auch dafür sehr konkrete Anhaltspunkte in Rom. Die skandalösen Zustände, die zum Rücktritt von Benedikt XVI. geführt haben, scheinen fortzubestehen, auch wenn mit dem Papst aus Argentinien ein anderer Wind im Vatikan weht.

Transparenz und Dezentralisierung

Franziskus will die Kurie reformieren. Sie soll stärker einer modernen Regierung denn einem barocken Hofstaat gleichen. Ganz wichtig ist finanzielle Transparenz. Künftig müssen alle Einrichtungen des Vatikan ihre Bilanzen offenlegen. Schließlich geht es um Dezentralisierung. Rom muss nicht alles entscheiden, Kompetenzen sollen in die Ortskirchen zurückverlagert werden. So eine umfassende Reform stößt natürlich auf Widerstand.

Kurienmitarbeiter heucheln Loyalität, kritisieren aber hinter vorgehaltener Hand die Marschrichtung des Papstes. Andere halten still und hoffen, dass der Spuk bald ein Ende hat. Es sind die Beharrungskräfte, die in jedem Apparat wirken, der einem Reformprozess unterzogen wird. So gesehen wird aus der Weihnachtsansprache des Papstes ein Machtwort. Franziskus geht es nicht um Strukturreformen und Organigramme, sondern um die innere Einstellung seiner Mitarbeiter. Jeden, der im Vatikan nach Ruhm, Macht und Vermögen strebt, hält er für fehl am Platz.

Gleichzeitig ist diese gründlich vorbereitete und ohne große Emotionen vorgetragene Rede auch ein Hilferuf. Der Papst braucht bei seiner Reform die Unterstützung der Weltkirche. So beliebt der Pontifex in weiten Teilen der Kirche, ja sogar darüber hinaus ist, so unpopulär scheint die Nummer eins hinter den Mauern des Vatikan zu sein.

Viele Kardinäle verübeln dem Papst den demonstrativen Bruch mit den Traditionen, das hohe Reformtempo und die gezielte Missachtung der Hierarchien. Bei der Weihnachtsansprache für die einfachen Angestellten des Vatikan, die Gärtner, Archivare, Museumswärter, Gendarmen und Sekretärinnen schlug er ganz andere Töne an: Da bat er um Verzeihung für Fehler, die er oder seine Mitarbeiter zu verantworten hätten.

http://www.tagesschau.de/ausland/vatikan-121.html
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