niels hat geschrieben:WISSEN bedeutet Evidenz wie Reproduzierbarkeit
Beispiele:
Jeden Morgen sehe ich wie die Sonne aufgeht. Sie bewegt sich tagsüber am Himmel entlang und geht abends unter, um am nächsten Morgen am anderen Ende des Himmels wieder aufzugehen. Das ist evident und reproduziert sich täglich. Die Sonne dreht sich logischer Weise und die Erde.
Evidenz und Reproduzierbarkeit sind vorhanden. Doch stimmt das auch?
Seit zwanzig Jahren geht Justus K. zur Arbeit. Er ist so pünktlich, dass man die Uhr nach ihm stellen kann. – Weiß ich deshalb schon, dass das immer so bleibt?
niels hat geschrieben: NIEMAND weiß (!) ob Jesus dies NICHT tat - sie GLAUBEN es maximal. tatsächlich WEISS niemand, das es DEN Jesus, wie das neue Testament ihn beschreibt (welches übrigens...ß) tatsächlich gegeben hat oder inwieweit er ein eher mythisches Konstrukt aus verschiedenen Personen-/Persönlichkeiten wie deren Lebensläufen / Ereignissen und Eigenschaften ist.
Dies wird mit schöner Regelmäßigkeit behauptet. Erst kürzlich las ich im „Cicero“ Heft 1/2015 S.5
„Wer war dieser Jesus von Nazareth eigentlich,…? Ist er von einen Biografen, den vier Evangelisten des Neuen Testaments sowie dem Heiligen Paulus und dem Propheten Johannes im Nachhinein verklärt worden?“
Bedeutet dies aber, dass man tatsächlich nichts wissen kann?
Oder, dass die x-te Version, wie Jesus wirklich war, die uns heute aufgetischt wird, glaubwürdiger ist als das Zeugnis der Evangelisten?
Anders als in der Naturwissenschaft, die mit Experimenten arbeiten kann, ist man in der Geschichtswissenschaft auf historische Zeugnisse angewiesen in Form von Funden und Dokumenten.
Je näher ein Dokument… am historischen Geschehen ist, desto größer ist dessen Glaubwürdigkeit.
Von den 14 Paulusbriefen gelten 7 in der Forschung völlig unbestritten als echt. Sie wurden allesamt zu Lebzeiten derer geschrieben, die Jesus persönlich kannten, vor 64. Alles Anlassschreiben, wo Paulus auf Streitpunkte eingeht und wo er auch auf andere Zeugen hin weißt, wie z.B. 1 Kor 15,6 „die meisten von ihnen sind noch am Leben“.
Oder im Galaterbrief, wo er seinen Aufenthalt in Jerusalem bei den Aposteln schildert. Das war derzeit alles überprüfbar.
Alle Evangelien stammen aus dem 1. Jahrhundert. Drei von ihnen greifen auf eine ältere gemeinsame Quelle zurück. Es sind keine Lebensprotokolle. Diese gibt es auch von anderen (historischen) Persönlichkeiten nicht. Es sind Zeugnisse.
Dass es Jesus tatsächlich gegeben hat, das kann man wissen. Es sei dann, man glaubt der Geschichtswissenschaft gar nichts.
Ob man Jesus folgen kann, hängt davon ab, ob man den Zeugen glaubt, also dem Neuen Testament.
Aber zurück zum Thema, die „christlichen Werte“.
niels hat geschrieben:Eine "genaue Einhaltung" der Thora allerdings wäre schon deshalb unmöglich, weil die Thora kein stringentes, "funktionierendes" wie in sich kongruentes Regelwerk bietet
JA!
Es sei denn, man wird Jude. Dann gilt allerdings nicht die „Thora allein“. Hinzu kommen nicht nur weitere Texte unseres sog. Alten Testamentes, sondern auch die sog.
mündliche Thora… - Kurz gesagt, man kann das Judentum nicht erfassen, wenn man sich allein auf das Alte Testament stützt. Überlebt hat im Wesentlichen die pharisäische Richtung, also das Orientierung an dem Alten Testament in rabbinischer Auslegung mit zahlreichen praktischen Ge- und Verboten für den Alltag.
Alle Regeln und Gebote des Alten Testaments + Das Neue Testament das funktioniert gar nicht!
niels hat geschrieben:Dennoch hält dies viele Religiöse nicht davon ab, sich auf eine "genaue Einhaltung" der religiösen Gebote ihres Glaubens zu versteifen...
Das ist richtig!
Sofern sie sich auf die gesamte Bibel berufen ist das
nicht ganz ehrlich! Die Bibel in Auslegung ihrer Glaubensgemeinschaft, das kommt schon eher hin, ähnlich wie beim Judentum.
In christlichen Kreisen wird auch diskutiert, was vom Alten Testament für sie noch gilt, ob beispielsweise nur die moralischen Gesetze oder auch die kultischen Gesetze gelten.
Aus meiner Sicht kommt das nicht hin. –
Man kann sich nichts aussuchen, schon gar nicht auf formaler Basis. Auch wenn es immer wieder versucht wurde und wird.
Paulus tat das nicht.
Im Spätherbst 55 n.Chr. schrieb er in Makedonien einen Brief an die Galater.
(Quelle: Udo Schnelle „Einleitung ins Neue Testament“ 6.Aufl. 2007, S. 111 u. 113)
Darin stellt er die christliche Gemeinde vor die
Entscheidung die
Thora oder Christus!
Paulus warnt vor der Beschneidung, denn diese verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten. Klar und scharf formuliert er:
„Wenn ihr also durch das Gesetz gerecht werden wollt, dann habt ihr mit Christus nichts mehr zu tun“ Gal 5,4
Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen! Gal 5,1
Aus diesem
gesetzesfreien Christentum, das auf die Gnade und Liebe Gottes in Christus basiert, entsteht allerdings ein ganz praktisches Problem: Regeln sorgen für ein reibungsloses Miteinander, sorgen für das Funktionieren einer Gemeinschaft. Hier kommt Paulus nun mit den Gaben des Geistes :
„Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ Gal 5,22 f.
Da sind wir wieder bei unseren christlichen Werten.
Ob’s nun aber eine Regel, ein Gesetz oder ein Wert ist… aus meiner Sicht, kann keiner dermaßen absolut gesetzt werden, um in jedem Fall Anwendung zu finden. Beides verstellt den Blick auf das gesetzesfreie Christentum, denn ein Wert mutiert ganz schnell zum Gesetz, zur absolut gesetzten Regel.
„Wenn ihr also durch das Gesetz gerecht werden wollt, dann habt ihr mit Christus nichts mehr zu tun“ Gal 5,4
„Wenn ihr also durch Werte gerecht werden wollt, dann habt ihr mit Christus nichts mehr zu tun“