Historisch-kritische Bibelauslegung

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Atheisius
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Christel schrieb:
......noch hast Du überhaupt eine Ahnung, was historisch-kritische Bibelforschung überhaupt ist.
Das ist lediglich deine Behauptung.
Theißen bringt in seinen Jesus-Büchern, wie in der frommen klassischen Leben-Jesu-Forschung üblich, das eigene Jesus-Ideal in seine Arbeiten ein. Er bringt also bei seinem traditionellen Jesusbild eine Persönlichkeitsstruktur ein, die von ihm selbst als höchstes ethisches Ideal angesehen wird und ordnet sie Jesus zu.

Er konstruiert (erfindet) damit einen „basisdemokratischen, herrschaftskritisch-emanzipatorischen, antipatriarchalischen, ökonomie- und familienkritisch gewaltlosen Jesus“ der den heutigen systemkritischen, alternativen bundesrepublikanischen Zeitgeist an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert par excellence wiedergibt. ….. mit seinen Friedens- und Frauen-Bewegungen, seinen Friedensgottesdiensten und Ostermärschen, seiner Kritik am politischen und wirtschaftlichen „System“?

Was bei dem historisch gebildetem Theißen befremdet, ist der Anspruch, die Leser möchten ihm seinen gegenwartsnah und zeitgemäß auf die geistigen Bedürfnisse und Ideale seiner Generation zugeschnittenen Jesus allen Ernstes als „historischen“ abkaufen. Auf Kirchentagen, Kanzeln und in evangelischen Akademien mag das angehen, und der Erfolg des Buches beweist ja auch, dass es sein Publikum hat.

Doch müsste nicht die Annahme, ein Zimmermannssohn aus Nazareth habe bereits vor 2000 Jahren ein vom göttlichen Vater abgesegnetes Programm zur Lösung der heutigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme entwickelt, für jeden historisch denkenden Menschen eine intellektuelle Zumutung darstellen?

Für den Leser mag es den Eindruck erwecken, als basiere das dort gezeichnete Jesusbild auf gründlicher Prüfung der Quellen und Kenntnis der historischen Zusammenhänge, doch ist dies eine optische Täuschung. Der Jesus von Theißen ist wie die Jesusse ihrer Vorgänger und alle Jesusse, ob die von First Quest, Second Quest oder Third Quest, ein willkürlich aus den Quellen zusammengelesenes und zeitgemäß aufgepepptes Konstrukt, das als Grundlage für Kanzelreden oder das „Wort zum Sonntag“, taugt.
Von mir leicht abgeändert nach Hermann Detering aus: „Eine Art Metamorphose des Menschlichen“
http://www.radikalkritik.de/Theissen.pdf

Hermann Detering bezieht sich hier auf das vom Neutestamentler Gerd Theißen zusammen mit Annette Merz verfaßte Buch über den „Historischen Jesus“ was aber nicht von Belang ist, denn da sich dieses Buch gut verkauft hat, hat Theißen noch eins drauf gesetzt und „Der Schatten des Galiläers“ herausgebracht. Seine von ihm konstruierte Jesusfigur ist die gleiche geblieben.

Mit einer historisch-kritischen Bibel-Exegese hat die Jesusfigur des Gerd Theißen nicht das Geringste zu tun.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
Christel
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Ich finde es toll, dass Du auf ein weiteres Jesus-Buch hinweist:
Titel: Der historische Jesus
Autoren/Herausgeber: Annette Merz, Gerd Theißen
Ausgabe: 4. Auflage, 2011
ISBN/EAN: 9783525521984
Seitenzahl: 570
Es kostet allerdings 40,- €.
Das Lehrbuch will über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zum historischen Jesus informieren. Jesus wird als eine auch heute noch erkennbare, tief im Judentum verwurzelte, profilierte Gestalt dargestellt. Zu allen Themen werden kurze Überblicke der Forschungsegschichte geboten. Der Text ist didatkische aufgebarbeitet, u.a. durch viele Übersichten und Tabellen sowie vor- und nachbereitende Aufgaben.
(buecher.de)

Sowohl bei „buecher.de“ als auch bei „buchhandel.de“ gibt es eine ausführliche Leseprobe:
Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Literaturverzeichnis, „Die Geschichte der Leben-Jesus-Forschung“, „Die Quellen und ihre Auswertung“, das Register…

Siehe:
https://www.buchhandel.de/buch/Der-hist ... 3525521984
http://www.buecher.de/shop/englisch/der ... /06324415/

Die Leseproben unterscheiden / ergänzen sich, die bei „buchhandel.de“ ist ausführlicher.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Atheisius
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Christel zitierte aus der WIKIPEDIA:
Hermann Detering (* 1953 in Oldenburg (Oldenburg)) ist ein deutscher evangelischer Theologe und Buchautor. Er vertritt die in der Forschung nicht anerkannte These einer Unechtheit aller Paulusbriefe und die Nichthistorizität Jesu von Nazareth.
Mich interessiert hier jetzt nicht die Aussage von Detering ob nun alle Paulusbriefe echt sind oder nur ein paar. Auch nicht Deterings Meinung über den historischen Jesus. Das wäre dann ein neues Thema wert.

Ich gebe hier lediglich Deterings Aussagen über die Jesus-Bücher des Gerd Theißen wieder, denn das Buch von Theißen „Der Schatten des Galiläers“ hast du hier leider ganz bewusst ins Spiel gebracht obwohl der fiktive Inhalt dieses frommen Romans mit einer historisch-kritischen Bibel-Exegese nichts zu tun hat.

Was die Echtheit oder Unechtheit der Paulusbriefe angeht, schließe ich mich eher den Forschungsergebnissen von Gerd Lüdemann an. Gerd Lüdemann schreibt:

„Im Neuen Testament gibt es sieben echte und sechs unechte Paulusbriefe, ferner gefälschte Schreiben verschiedener Apostel, die alle als Wort Gottes gelten. Die sechs unechten Paulusbriefe haben Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden.
Der zweite Brief an die Thessalonicher ist die gröbste Fälschung des Neuen Testaments. Sein Verfasser veröffentlichte nicht nur einen Paulusbrief unter falschem Namen, sondern wollte mit seiner Fälschung auch noch einen echten Paulusbrief ersetzen, indem er diesen kurzerhand als Erfindung deklarierte“.


Als weiterführende Literatur empfehle ich:

Gerd Lüdemann: „Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments: Der zweite Thessalonicherbrief“
http://www.amazon.de/gr%C3%B6bste-F%C3% ... ann+paulus

Christel behauptet:
Als Ersatz bietest Du mir Hermann Detering an, ein Mann dessen Thesen von der historisch-kritischen Forschung gar nicht anerkannt sind
Das ist falsch. Umstritten ist lediglich seine These von der Unechtheit aller Paulusbriefe und der Nichthistorizität des Jesus. Seine Forschungsergebnisse zu den Inhalten der Evangelien sind nicht umstritten.

Christel schrieb:
…….noch hast Du überhaupt eine Ahnung, was historisch-kritische Bibelforschung überhaupt ist.
Ich denke eher, dass das für dich zutrifft. Du verwechselst eine fromme Leben-Jesu-Forschung wie sie ein Gerd Theißen betreibt mit einer historisch-kritischen Bibelauslegung wie sie zum Beispiel ein Rudolf Bultmann betrieben hat.

Bultmann stellte im Ergebnis seiner historisch-kritischen Bibelauslegung fest, das sich über den historischen Jesus so gut wie nichts „belegen“ bzw. feststellen lässt. Jesus ist für das Christentum die zentrale Person. Über ihn sind viele Bücher zusammengeschrieben worden. Die meisten Jesus-Bücher, auch die von Theißen, sind jedoch nur von begrenztem Wert, da sie den "verkündeten" mit dem "geschichtlichen" Jesus gleichsetzen und sich zugleich weigern, die historisch-kritische Methode in vollem Umfang anzuwenden. Inzwischen ist sich die internationale kritische Forschung darüber einig, dass die meisten Worte Jesu nachträgliche Zuschreibungen und seine Taten Erfindungen sind.Dennoch gelten die nachträglich erdichteten Jesu-Worte bis heute in den Kirchen als Gottes Wort.

In den Evangelien stehen etwa 260 Jesu Worte, Aussagen also, von denen behauptet wird, dass sie von Jesus stammen. Die historisch-kritische Bibelforschung hat festgestellt, dass von den 260 Jesusworten nur ein Bruchteil von Jesus selber stammt. Viele Texte sind Jesus von den ersten Christen in den Mund gelegt worden. Deshalb gibt es eine große Gruppe von sogenannten Jesusworten, die den historischen Jesu gar nicht zum Autor haben. Die Zahl der für echt angenommen Jesus-Worte schwankt deshalb von Forscher zu Forscher. Vielleicht sind 5 bis 15 Prozent echt, 10 bis 35 Texte also.

Ich empfehle als weiterführende Literatur das Buch von Gerd Lüdemann:

"Der große Betrug – Und was Jesus wirklich sagte und tat“

http://www.amazon.de/gro%C3%9Fe-Betrug- ... 3E868HZQMF

Ein Ergebnis der historisch-kritischen Bibelexegese ist auch, dass das Christentum sich keinesfalls selbst erfunden hat, wie es uns die christlichen Kirchen bis heute noch gerne glauben machen will, sondern ist lediglich die Fortführung und Umwandlung alter Traditionen untergegangener Religionen wie die des alten Ägyptens, der Babylonier, der griechischen Antike bis hin zum römischen Reich. Natürlich auch des Judentums (Altes Testament).

Ich habe relativ viel Verständnis dafür, dass du als Gläubige deinen Glauben mit Händen und Füßen verteidigst, obwohl es doch nicht zu leugnen ist, dass die Christenheit auf Lügen und Irrtümern beruht.

Du solltest allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass es seitens der historisch-kritischen Bibel-Exegese berechtigte und erfolgreiche Versuche einer Aufdeckung von bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen, an denen sich die Kirche stets schuldig gemacht hat und weiterhin macht, gibt

Nichts beleidigt unseren Verstand mehr, als dummer, blinder Glaube, den uns irgendwelche Autoritäten oder Institutionen einzubläuen versuchen. Ich bin dankbar, dass ich heute in einer Zeit leben darf, in der es öffentlich möglich ist, meinen Unglauben ohne Gefahr für Leib und Leben frei zu äußern.
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Atheisius hat geschrieben:Mich interessiert hier jetzt nicht die Aussage von Detering ob nun alle Paulusbriefe echt sind oder nur ein paar. Auch nicht Deterings Meinung über den historischen Jesus. Das wäre dann ein neues Thema wert.
Richtig, das wäre ein neues Thema!
Trotzdem, es ist nicht sehr geschickt sich auf einen Mann zu berufen, der mit seinen Thesen ganz allein dasteht.
Vergleiche : https://de.wikipedia.org/wiki/Einleitun ... _Testament
Atheisius hat geschrieben:denn das Buch von Theißen „Der Schatten des Galiläers“ hast du hier leider ganz bewusst ins Spiel gebracht obwohl der fiktive Inhalt dieses frommen Romans mit einer historisch-kritischen Bibel-Exegese nichts zu tun hat.
Das ist Unsinn!
Gerd Theißen scheibt in seinem Buch „Der Schatten des Galiläers“:
Ich möchte in erzählender Form ein Bild von Jesus und seiner Zeit entwerfen, das sowohl dem derzeitigen Stand der Forschung entspricht als auch für die Gegenwart verständlich ist.
Das andere genannte Buch „Der historische Jesus“ von Gerd Theißen ist ein Lehrbuch.

Gerd Theißen ist ein renommierter Wkissenschaftler!
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerd Theißen
Professor Emeritus für Neues Testament,
Universität Heidelberg

In Forschung und Lehre liegt der Schwerpunkt von Prof. Theißen auf den Gebieten Sozialgeschichte des Urchristentums, historischer Jesus und Theorie der urchristlichen Religion bzw. Theologie des Neuen Testaments. Unter seinen Veröffentlichungen sind u.a. zu nennen: "Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte", "Der historische Jesus. Ein Lehrbuch" (mit A. Merz), "Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums", "Erleben und Verhalten der ersten Christen. Eine Psychologie des Urchristentums" und "Zur Bibel motivieren. Aufgabe, Inhalte und Methoden einer offenen Bibeldidaktik". Außerdem hat er mehrere Predigtbände und eine Homiletik veröffentlicht.

Für seine Arbeit erhielt Prof. Theißen zahlreiche Ehrungen, u.a. die Burkitt Medal for Biblical Studies von der British Academy. Er ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. http://www.uni-heidelberg.de/fiit/perso ... issen.html
Gerd Theißen hat einen sehr lesenswerten Vortrag gehalten
Jesus und seine historisch-kritischen Erforscher
Über die Menschlichkeit der Jesusforschung
Darin kommen u.a. auch Rudolf Bultmann und Gerd Lüdemann vor.
Über Lüdemann sagt er dort:
Noch in den letzten Jahren erschien ein kleines Buch des umstrittenen protestantischen Theologieprofessors, Gerd Lüdemann, der in ihm zwar Sympathie für Jesus äußert, aber auch seine Unfähigkeit, ihn im Sinne des christlichen Bekenntnisses zu verehren. Er gab seinem Buch den Titel: „Der große Betrug“.

Es ist das Zeugnis von jemandem, der sich selbst betrogen fühlt. Es ist das Zeugnis einer enttäuschten Liebe zu Jesus, deren Aufrichtigkeit ich achte. Und doch muss ich den Buchtitel kritisieren. Er fällt hinter die Erkenntnisse D.F. Strauß, zurück, dass die historische Gestalt Jesu absichtslos mit unhistorischen Erzählungen umgeben wurde.
Mehr: http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Du lenkst wieder einmal vom Thema ab, denn Gerd Theißen ist doch hier überhaupt nicht das Thema.

Auf die von mir dargestellten Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelforschung gehst du nicht ein, findest du wohl keine Antwort.

Was sagst du denn nun hierzu:

„Im Neuen Testament gibt es sieben echte und sechs unechte Paulusbriefe, ferner gefälschte Schreiben verschiedener Apostel, die alle als Wort Gottes gelten. Die sechs unechten Paulusbriefe haben Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden.
Der zweite Brief an die Thessalonicher ist die gröbste Fälschung des Neuen Testaments. Sein Verfasser veröffentlichte nicht nur einen Paulusbrief unter falschem Namen, sondern wollte mit seiner Fälschung auch noch einen echten Paulusbrief ersetzen, indem er diesen kurzerhand als Erfindung deklarierte“.

Bultmann stellte im Ergebnis seiner historisch-kritischen Bibelauslegung fest, das sich über den historischen Jesus so gut wie nichts „belegen“ bzw. feststellen lässt. Jesus ist für das Christentum die zentrale Person. Über ihn sind viele Bücher zusammengeschrieben worden. Die meisten Jesus-Bücher, auch die von Theißen, sind jedoch nur von begrenztem Wert, da sie den "verkündeten" mit dem "geschichtlichen" Jesus gleichsetzen und sich zugleich weigern, die historisch-kritische Methode in vollem Umfang anzuwenden. Inzwischen ist sich die internationale kritische Forschung darüber einig, dass die meisten Worte Jesu nachträgliche Zuschreibungen und seine Taten Erfindungen sind.Dennoch gelten die nachträglich erdichteten Jesu-Worte bis heute in den Kirchen als Gottes Wort.

In den Evangelien stehen etwa 260 Jesu Worte, Aussagen also, von denen behauptet wird, dass sie von Jesus stammen. Die historisch-kritische Bibelforschung hat festgestellt, dass von den 260 Jesusworten nur ein Bruchteil von Jesus selber stammt. Viele Texte sind Jesus von den ersten Christen in den Mund gelegt worden. Deshalb gibt es eine große Gruppe von sogenannten Jesusworten, die den historischen Jesu gar nicht zum Autor haben. Die Zahl der für echt angenommen Jesus-Worte schwankt deshalb von Forscher zu Forscher. Vielleicht sind 5 bis 15 Prozent echt, 10 bis 35 Texte also.


Welchen "Wert" hat denn nun das "Wort Gottes" welches aus bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen besteht? :roll:
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Gerd Theißen stört Dich, da er als historisch-kritischer Forscher Deine Thesen nicht bestätigt.
Man kann sagen: Die Betrugshypothese verschwand mit Strauß aus der historisch-kritischen Forschung. Die Anhänger Jesu haben in gutem Glauben historische Wahrheit mit unhistorischer Dichtung vermischt - und gerade die „Dichtung“ (oder der Mythos) kann eine Wahrheit enthalten. Die radikale Kritik an der Jesusüberlieferung hat sich hier selbst korrigiert.
http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
Im selben Vortrag illustriert Gerd Teißen die Menschlichkeit der Jesusforschung mit folgender Geschichte:
Eben deshalb will ich Sie dazu verleiten, die Menschlichkeit der Jesusforschung einmal aus einem großen Abstand zu betrachten - von einem Standpunkt jenseits des Menschlichen, mit den Augen des Himmels. Zu diesem Zweck erfinde ich eine mythische Erzählung - diesmal nicht als absichtslos gedichtete Sage, sondern mit eindeutiger Absicht. Denn ich möchte zeigen, dass auch unhistorische und mythische Erzählungen (also Dichtungen) Wahrheit enthalten können. Ich erfinde jetzt ein Gespräch unter Engeln, um poetisch zu veranschaulichen, dass wir in der Wissenschaft immer nur unter eingeschränkten, begrenzten, kurz, unter menschlichen Bedingungen arbeiten und miteinander kommunizieren. Man kann das „Menschliche“ leichter erkennen, wenn man es von außen betrachtet: mit den Augen des Himmels.

Als sich die historisch-kritische Jesusforschung auf Erden verbreitete, setzte der Himmel einen Krisenstab „Jesusforschung“ ein. Einige Engel waren tief beunruhigt über das, was seit Reimarus und Strauß auf Erden über Jesus erzählt und geschrieben wurde. Sie sahen den Glauben in Gefahr. Und so berieten sie da rüber, was zu tun sei. Sie beschlossen, die Jesusforscher aufzusuchen, um ihre Motive zu erforschen. Engel können bekanntlich bis ins Innere sehen - und hören alle Gedanken, verstehen die bewussten und die unbewussten Motive. Nach einiger Zeit kamen sie nach ihrem überirdischen Lauschangriff aus den Gelehrtenstuben zurück. Und sie berichteten über ihre Erlebnisse. Die Engel beschlossen: Am Anfang sollten die Engel erzählen, die auf Forscher mit vorwiegend historischem Erkenntnisinteresse (wie bei D.F. Strauß) gestoßen waren. In einem zweiten Gesprächsgang sollten dann die zu Wort kommen, die Jesusforscher mit vorwiegend praktischem Interesse (wie Reimarus) gefunden hatten.
Mehr: http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
Ich würde sagen, Du gehörst zu den Menschen, die von einem praktischen Interesse geleitet werden.
Wie ein Bienchen, dass Honig sucht, pickst Du Dir aus der Vielfalt der Thesen und Autoren der historisch-kritischen Forschung heraus, was Deinem Intresse entspricht.
Du empfiehlst von dem Außenseiter Gerd Lüdemann „Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments: Der zweite Thessalonicherbrief“, also wirst Du das Buch gelesen haben und mir bestimmt auch mitteilen können, wie Herr Lüdemann seine Theorie begründet und welcher echte Paulusbrief ersetzt sollte. Wie datiert er den Brief? Welche Beweise für seine Theorie legt er vor?

Ich empfehle als weiterführende Literatur:
Titel: Einleitung in das Neue Testament
Autoren/Herausgeber: Udo Schnelle
Ausgabe: 8., neubearb. Aufl.
ISBN/EAN: 9783825237370
Seitenzahl: 638
Format: 21,5 x 15 cm
Produktform: Taschenbuch/Softcover
Sprache: Deutsch
https://www.buchhandel.de/buch/Einleitu ... 3825237370
Prof. Dr. Udo Schnelle lehrt an der Martin-Luther-Universität in Halle. http://www.theologie.uni-halle.de/nt/schnelle/

Das Buch ist mit 34,99 € nicht ganz billig, dafür aber ein echtes Fachbuch von dem man wirklich was hat. Ich selbst besitze die 6. Auflage von 2007 und benutze es als Nachschlagewerk.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Warum gehst du auf den vorherigen Thread nicht ein? Gerd Theißen stört mich nicht. Er betreibt eine Bibelforschung aus Sicht eines bibelgläubigen Christen, also unwissenschaftlich. Sein "Forschungsergebnis" hat also nur für Gläubige einen, wenn auch unwissenschaftlichen, Wert.

Theißen sagt über sich selbst:
Also kommt für mich nur eine Radikallösung in Frage: Nicht das, was Jesus gesagt und getan hat, ist wichtig. Darüber kann man nur Hypothesen bilden. Es könnte immer auch anders sein. Ich aber sage: Nicht was Jesus gesagt und getan hat, interessiert mich, sondern allein, dass Gott in Jesus gehandelt hat. Das ist für mich das Entscheidende. Und das kann kein Historiker beweisen, und keiner kann es anfechten. Das entzieht sich historischer Forschung. Dann ist der Glauben in einer sturmfreien Zone.
http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf (Danke für den Link) :D

Damit spricht Theißen aus, dass er keine wissenschaftlich historisch-kritische Bibelexegese betreibt. Die Figur Theißen passt deshalb auch nicht in dieses Thema hinein. Deshalb ist er für mich völlig uninteressant. Siehe auch: viewtopic.php?f=10&t=4361
Ja, Glaube ist eben Glaube - Sturmfrei ist er allerdings nicht, wie Theißen behauptet. Die Realität sieht anders aus.
Jesus hat keine neue Religion begründet, sondern es war Paulus der Jesus nach dessen Tod zum Christus erhoben hat. Erst dabei hat Paulus seine in der Tat unbeweisbare These aufgestellt, dass Gott in Jesus gehandelt hat. Den Menschen Jesus hat Paulus nicht gekannt - Er wollte ihn sicherlich auch gar nicht kennen, sondern er hat ihn lediglich für sich benutzt.

Ich verweise noch einmal auf meinen Eingangsthread vom 28.04. (Seite 1 - ganz oben):
Die katholische Variante der historisch-kritischen Bibelauslegung ist eine Mogelpackung und verdient diesen Namen nicht.

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert formulierte der Theologe Ernst Troeltsch in seinem Aufsatz „Über historische und dogmatische Methode in der Theologie“ (1898) drei Säulen auf denen die „historisch-kritische Methode“ der Bibelauslegung beruht:

1. Das erste Prinzip der Kritik erklärt den Menschen zur Gerichtsinstanz, vor der sich die Bibel verantworten muss.

2. Das zweite Prinzip der Analogie erklärt Wunder für unmöglich: Es könne auch damals nur das passiert sein, was sich heute in unserer Alltagserfahrung zuträgt.

3. Und schließlich das Prinzip der Korrelation: Jedes Geschehen muss aus einem innerweltlichen Geschehenszusammenhang heraus erklärbar sein. Es kann also nur das als wahr anerkannt werden, was sich unter natürlichen Bedingungen erklären lässt. Mit anderen Worten: Man schließt von vornherein aus, dass ein handelnder Gott aktiv in den Lauf der wirklichen Geschichte eingreift.

https://de.scribd.com/doc/30925656/Troe ... he-Methode

Mit der historisch kritischen Bibelauslegung entmythologisierte der Theologe Rudolf Bultmann die Evangelien des neuen Testaments. Er schrieb in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts unter anderem:

- Erledigt sind damit die Geschichten von der Himmelfahrt Christi
- Erledigt ist damit durch die Kenntnis der Kräfte und Gesetze der Natur der Geister und Dämonenglaube
- Die Wunder des neuen Testaments sind damit als Wunder erledigt.

1921 veröffentlicht Bultmann seine Geschichte der synoptischen Tradition, die bis heute als Standardwerk zur Exegese des Neuen Testaments gilt. Er liefert darin eine gründliche formgeschichtliche Analyse der synoptischen Evangelien, in der er versucht, einzelne Quellen zu identifizieren, die Eingang in die Evangelien gefunden haben. Ähnlich wie Martin Dibelius vertritt er dabei die Ansicht, dass auch die ältesten Schriftquellen, die auf diese Art rekonstruiert werden, aus einer vorliterarischen Überlieferungsphase hervorgegangen sind. Sie dürften daher nicht als objektive historische Berichte betrachtet werden, sondern seien bereits vom Glauben der Urgemeinde geprägt. Bultmann war der Ansicht, Paulus (und Johannes) hätten sich nicht für den Menschen Jesus bzw. für sein Erdenleben interessiert, sondern nur noch für den geglaubten Christus.

http://joachimstiller.de/download/philo ... ltmann.pdf
Noch einmal meine Frage:
Welchen "Wert" hat denn nun das "Wort Gottes" welches aus bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen besteht?
:roll:
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Atheisius hat geschrieben:Theißen sagt über sich selbst:
Nein, Das sagt Theißen über Rudolf Bultmann!

Der Text beginnt auf Seite 6 mit diesen Worten:
Der vierte Engel berichtete: Ich war bei einem Schüler des großen Theologen Rudolf Bultmann.11 Ich habe seinem inneren Dialog zugehört.
http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
Atheisius hat geschrieben:http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf (Danke für den Link) :D
Bitte schön, nur lesen und zitieren solltest Du korrekt. Wie war das noch mal mit der Wahrhaftigkeit?
Atheisius hat geschrieben:Damit spricht Theißen aus, dass er keine wissenschaftlich historisch-kritische Bibelexegese betreibt.

Da sich das Zitat auf Bultmann bezieht, betreibt nach Deiner Einschätzung Rudolf Bultmann keine wissenschaftlich historisch-kritische Bibelexegese. :mrgreen:

Weiter im Zitat über Bultmann:
Und eben deshalb werde ich als Theologe den großen Skeptiker in historischen Einzelfragen spielen. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe:
Ich empfehle mich meiner zeitgenössischen skeptischen Kultur als ein
moderner Theologe. Und ich bewahre gleichzeitig den Glauben
als ein Theologe. - Die im Himmel finden das zwar paradox, dass Theologen durch Skepsis den Glauben absichern wollen. Sie fragen sich, ob man das schlichten Christen verständlich machen kann - wo doch auch sie Bultmann nicht ganz verstehen! Sein praktisches Interesse, den Glauben vor Erschütterung zu bewahren ist ja ganz honorig,
meinen sie, aber darf dies das erste Interesse in der Jesusforschung sein?
http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
Im Übrigen sind die Zeiten längst vorbei, da man sich nicht getraute dem großen Bultmann zu widersprechen:
Aufgrund der Autorität Bultmanns galt es in der deutschen Theologie lange Zeit als unmöglich, Aussagen über den historischen Jesus zu machen. Erst der ehemalige Bultmannschüler Ernst Käsemann und später auch andere Neutestamentler vertraten die Auffassung, dass der Graben zwischen historischem Jesus und ersten Christen doch weit schmäler sei als von Bultmann angenommen. Auch näherte sich Bultmann nach Meinung vieler zu sehr dem liberalen Rationalismus und Skeptizismus. https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Bultmann
Ich sagte Dir doch, Du kannst Deinen Atheismus nicht auf Bultmann stützen. Er blieb gläubiger Christ!

Bedenke, nicht der ist ein wissenschaftlich arbeitender historisch-kritischer Exeget der zur Begründung Deines Atheismus taugt, sondern derjenige, der diesen Methodenapparat zur Untersuchung vom historischen Texte anwendet. https://de.wikipedia.org/wiki/Historisc ... he_Methode

Nicht irgendwelche Behauptungen zählen, sondern es zählt, ob die Begründung stichhaltig ist. Daher fragte ich Dich (So 22 Mai, 2016 23:01):
Christel hat geschrieben:Du empfiehlst von dem Außenseiter Gerd Lüdemann „Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments: Der zweite Thessalonicherbrief“, also wirst Du das Buch gelesen haben und mir bestimmt auch mitteilen können, wie Herr Lüdemann seine Theorie begründet und welcher echte Paulusbrief ersetzt sollte. Wie datiert er den Brief? Welche Beweise für seine Theorie legt er vor?
Willst Du mir nicht antworten?
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

PS:
Atheisius hat geschrieben:Welchen "Wert" hat denn nun das "Wort Gottes" welches aus bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen besteht? :roll:
Du stellst mir hier eine Suggestivfrage!

Da Deine Behauptung falsch ist, erübrigt sich die Antwort sowieso!

Die gesamte Bibel ist ein historisches Dokument.
Das Neue Testament ist das Glaubenszeugnis der Christen des ersten Jahrhunderts.
Die Bibel ist das Original!

Allerdings kann die Bibel bewusst fehl interpretiert werden, um Menschen zu täuschen.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

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Christel schrieb:
Nein, Das sagt Theißen über Rudolf Bultmann!

Der Text beginnt auf Seite 6 mit diesen Worten:
Was steht denn nun auf dieser Seite?
Der vierte Engel berichtete: Ich war bei einem Schüler des großen Theologen Rudolf Bultmann. Ich habe seinem inneren Dialog zugehört.

Der vierte Engel berichtete: Ich war bei einem Schüler des großen Theologen Rudolf Bultmann. Ich habe seinem inneren Dialog zugehört. Sein Programm ist: Ich möchte den Glauben auf etwas gründen, was nicht dem Für und Wider der Gelehrten ausgesetzt ist. Heute sagen sie: Jesus hat ein von außen hereinbrechendes Reich Gottes erwartet, morgen, für ihn beginne das Gottesreich schon im Innern der Menschen. Heute sagen sie: Er habe das jüdische Gesetz eingehalten - und morgen, er habe seine Grundlagen gesprengt. Heute glaubt man an seine Exorzismen und Heilungen - und morgen daran, dass die meisten Wunder erfunden sind. Heute sagt man, er habe sich nicht für den Messias gehalten - und morgen, ohne sein Messiasbewusstsein würde man alles an ihm missverstehen.

Nichts ist absolut sicher. Also kommt für mich nur eine Radikallösung in Frage: Nicht das, was Jesus gesagt und getan hat, ist wichtig. Darüber kann man nur Hypothesen bilden. Es könnte immer auch anders sein. Ich aber sage: Nicht was Jesus gesagt und getan hat, interessiert mich, sondern allein, dass Gott in Jesus gehandelt hat. Das ist für mich das Entscheidende. Und das kann kein Historiker beweisen, und keiner kann es anfechten. Das entzieht sich historischer Forschung. Dann ist der Glauben in einer sturmfreien Zone.
Theißen identifiziert sich mit dieser Aussage:
Nichts ist absolut sicher. Also kommt für mich nur eine Radikallösung in Frage: Nicht das, was Jesus gesagt und getan hat, ist wichtig. Darüber kann man nur Hypothesen bilden. Es könnte immer auch anders sein. Ich aber sage: Nicht was Jesus gesagt und getan hat, interessiert mich, sondern allein, dass Gott in Jesus gehandelt hat. Das ist für mich das Entscheidende. Und das kann kein Historiker beweisen, und keiner kann es anfechten. Das entzieht sich historischer Forschung. Dann ist der Glauben in einer sturmfreien Zone.
Was soll auch dieses mystische Gefasele mit einem Engel anderes bedeuten?

Christel schrieb:
Ich sagte Dir doch, Du kannst Deinen Atheismus nicht auf Bultmann stützen. Er blieb gläubiger Christ!
Du meinst, er ist nicht aus seiner Kirche ausgetreten. Das sagt noch lange nichts darüber aus, dass er auch ein gläubiger Christ geblieben ist. Warum solche Theologen nicht aus ihrer Kirche austreten habe ich hier begründet:

viewtopic.php?f=10&t=4361&p=15287&sid=5 ... ce2#p15287

Christel schrieb:
PS:
Atheisius hat geschrieben:
Welchen "Wert" hat denn nun das "Wort Gottes" welches aus bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen besteht? :roll:

Du stellst mir hier eine Suggestivfrage!

Da Deine Behauptung falsch ist, erübrigt sich die Antwort sowieso!
Da erübrigt sich die Antwort keineswegs. Denn es gibt kein "Gotteswort" nur ein phantasiereiches Menschenwort. Und das besteht, was die Bibel angeht, aus bewussten Fehlinterpretationen, Lügen und Täuschungen.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

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Atheisius hat geschrieben:Was soll dann dieses mystische Gefasele mit einem Engel?
Das hat Dir Gerd Theißen bereits erklärt, ich zitierte:
Denn ich möchte zeigen, dass auch unhistorische und mythische Erzählungen (also Dichtungen) Wahrheit enthalten können. Ich erfinde jetzt ein Gespräch unter Engeln, um poetisch zu veranschaulichen, dass wir in der Wissenschaft immer nur unter eingeschränkten, begrenzten, kurz, unter menschlichen Bedingungen arbeiten und miteinander kommunizieren. http://www.muenster.de/~angergun/theiss ... schung.pdf
Die Geschichte mit den Engeln ist die Verpackung. Der Inhalt der Geschichte ist die Wahrheit über die Jesusforschung.
Atheisius hat geschrieben: Christel schrieb:
Ich sagte Dir doch, Du kannst Deinen Atheismus nicht auf Bultmann stützen. Er blieb gläubiger Christ!
Du meinst, er ist nicht aus seiner Kirche ausgetreten. Das sagt noch lange nichts darüber aus, dass er auch ein gläubiger Christ geblieben ist.
Nein! Ich meine, genau das, was ich schrieb. Rudolf Bultmann blieb gläubiger Christ! Auch Gerd Theißen lässt in seinem Text daran keinen Zweifel. - Es würde die Sache erleichtern, wenn Du mir wenigstens ab und an mal was glauben würdest.

Aber lassen wir Rudolf Bultmann dazu selbst zu Wort kommen:
SPIEGEL: Es wurde und wird Ihnen vorgeworfen, daß Sie unter dem Stichwort "Entmythologisierung" nahezu alles liquidieren wollen, was im Apostolischen Glaubensbekenntnis steht - von der Jungfrauengeburt bis zur Auferstehung.

BULTMANN: Es geht bei der Entmythologisierung nicht um Liquidation, sondern um Interpretation.

SPIEGEL: Landläufige Meinung ist es, der Christ unterscheide sich dadurch vom Nichtchristen, daß für ihn das Apostolische Bekenntnis gleichsam ein Dogma ist: Er hält das für wahr, er glaubt das, was dort ausgesagt ist. Meinen Sie, daß damit der christliche Glaube einigermaßen richtig "definiert" ist?

BULTMANN: Nein. Daß das Apostolische Bekenntnis ein Dogma ist, das der Christ für wahr halten muß, ist ein Irrtum. Der Glaube ist nicht das Fürwahrhalten von Heilstatsachen. Er ist vielmehr die Antwort auf die christliche Verkündigung, die dem Menschen die Gnade Gottes zusagt. Der Empfang der Gnade Gottes setzt voraus, daß sich der Mensch seiner Nichtigkeit vor Gott bewußt ist. Indem sich der Glaube dem Urteil Gottes unterwirft, ist er zugleich Gehorsam, wie besonders Paulus betont.

SPIEGEL: Gegenwärtig wird in den Gemeinden gleichwohl vor allem gefragt, was angesichts Ihrer "Entmythologisierung", Ihrer Kritik an der Bibel "von den Bekenntnissen, die heute noch in den Gottesdiensten gesprochen werden, noch zu glauben ist", schrieb kürzlich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Professor Beckmann. Dürfen wir Sie deshalb im einzelnen fragen: Jesus Christus als "Gottes eingeborener Sohn" - ist damit vom Christen der Glaube an die Präexistenz Jesu gefordert, - daran, daß er ein Himmelswesen war, das auf die Erde herabgestiegen ist? Wenn nicht - was bedeutet "Präexistenz" entmythologisiert?

BULTMANN: In den paulinischen Sätzen über die Präexistenz Jesu Christi kommt zum Ausdruck, daß die Person und das Schicksal Jesu nicht im Zusammenhang innerweltlichen Geschehens ihren Ursprung und ihre Bedeutung haben, sondern daß Gott in ihnen gehandelt ist.

SPIEGEL: Könnte, müßte Ihnen - wenn Sie es so formulieren - nicht auch manch konservativer Theologe zustimmen?
BULTMANN: Lassen Sie es mich so sagen: Es ist eine Tatsache, daß es eine von Gott autorisierte Verkündigung der zuvorkommenden Gnade und Liebe Gottes gibt. Diese Tatsache findet ihren mythologischen Ausdruck in der Rede von der Präexistenz Christi.

SPIEGEL: "Geboren von der Jungfrau Maria", heißt es im Glaubensbekenntnis. Die Untersuchungen, die vor allem Sie und Martin Dibelius veröffentlicht haben, führten doch wohl zu dem Ergebnis, daß Jesus nicht von der Jungfrau Maria, sondern als Kind Marias und Josephs geboren sei. Was bedeutet dann "geboren von der Jungfrau Maria"?

BULTMANN: Es ist der legendarische Ausdruck für den Glaubenssatz, daß der Ursprung der Bedeutung der Person Jesu nicht in seiner natürlichen, innerweltlichen Herkunft gesehen werden darf.

SPIEGEL: Nun wird oft gefragt - vor allem von Ihren Gegnern: Wenn Jesus nicht das vom Himmel auf die Erde herabgestiegene Gotteswesen, nicht der Sohn der Jungfrau Maria ist - in welchem Sinne ist er dann Gottes Sohn?

BULTMANN: Ich möchte zunächst meine Gegner fragen: Was versteht ihr unter "Gottes Sohn"?

SPIEGEL: Sie meinen, daß bei Ihren Gegnern darüber keine Klarheit, keine Einigkeit bestehe?

BULTMANN: Zumindest habe ich Gründe, es zu bezweifeln. Meinerseits antworte ich: Die Gottessohnschaft Jesu Christi besteht darin, daß Jesus im Gehorsam gegen Gott als den Vater - wie besonders das Johannes-Evangelium immer betont - und in Vollmacht das Wort Gottes verkündigte, das uns auch heute noch als sein Wort trifft.

SPIEGEL: Die westfälische "Bekenntnisbewegung" erklärt die Behauptung des Dortmunder Professors Hartmann für "antichristlich", Jesus sei Mensch und nichts als Mensch gewesen. Halten Sie diesen Satz für christlich, für theologisch richtig?

BULTMANN: Ja. Für diesen Satz kann ich mich auf Luther berufen.

SPIEGEL: Ihr Kollege Gogarten verweist in seinem gerade erschienenen Buch "Jesus Christus Wende der Welt"* auf Sätze Luthers wie diesen: "Die Menschheit Jesu wäre kein Nutz, wenn die Gottheit nit drinnen wäre. Doch wiederum will und mag Gott nit funden werden denn durch und in dieser Menschheit."

BULTMANN: Gogarten zitiert in der Tat die entscheidenden Sätze Luthers.

SPIEGEL: Sicher, Luther hat getadelt, daß die Kirche von Anfang an darauf bedacht war, Jesus von den Sünden und von den Sündern zu trennen, um ihn so zum Vorbild, zum Richter zu machen. Und von Luther stammt auch der Satz: "Leugne ich, daß er (Jesus) ein Sünder ist, so leugne ich auch den Gekreuzigten." Aber läßt sich nicht auch manches Wort Luthers zitieren, das ihn zum Kronzeugen für die "Konservativen" macht?

BULTMANN: Ich bin mit Gogarten davon überzeugt, daß Luther nur dann recht verstanden wird, wenn man seine Regel über die Erkenntnis Christi beherzigt: Je tiefer wir ihn ins Fleisch bringen können, desto besser ist es.

SPIEGEL: Das ist Ihnen wichtig. Andererseits aber haben Sie mehrfach betont, daß es allein auf das "Daß des Gekommenseins Jesu" ankomme. Ist das nicht vielleicht der kritischste Punkt Ihrer Theologie? Verflüchtigt sich Christus nicht zu einer "Idee", einer mythologischen "Chiffre", wenn Sie so das Interesse am historischen Jesus verneinen?

BULTMANN: Diese Fragen betreffen die umstrittene Formulierung, daß das Entscheidende das Daß des Gekommenseins Jesu sei, nicht das Was, das heißt nicht die historisch verifizierbaren Daten seines Lebens und Wirkens. Nun ist unbestreitbar, daß bei Paulus und im übrigen Neuen Testament, außer in den synoptischen Evangelien ...

SPIEGEL: ... dem Matthäus-, dem Markus- und dem Lukas-Evangelium ...

BULTMANN: ... nur das Daß, nicht das Was eine Rolle spielt. In der Behauptung des Daß ist nun jene Paradoxie behauptet, daß eine historische Gestalt - die Person Jesu von Nazareth - zugleich die eschatologische Gestalt - der Herr Jesus Christus - ist.

SPIEGEL: Diese Paradoxie wird von keinem Theologen geleugnet, aber ...

BULTMANN: Mit der Betonung des entscheidenden Daß ist freilich die Gefahr verbunden, daß die Gestalt Jesu zu einer mythischen Gestalt - oder, wie Sie es formulieren: zu einer Idee, einer mythologischen Chiffre - verflüchtigt wird. Jedoch ist mit dem Daß eine historische Person gemeint, deren Geschichtlichkeit sich verifizieren läßt, nämlich eben durch die historisch-kritische Forschung. Die historisch-kritische Forschung ist für die christliche Verkündigung unter anderem aus diesem Grunde notwendig, damit Jesus nicht als eine mythische Figur mißverstanden wird. Als historische Gestalt ist er das Kriterium der Verkündigung, das diese legitimiert. So verfährt auch das Johannes-Evangelium, das alles Gewicht auf das Gekommensein Jesu legt und die historische Tradition des Lebens und der Worte Jesu mit großer Freiheit behandelt. In ähnlicher Freiheit verfahren jedoch auch die synoptischen Evangelien mit der Überlieferung vom Leben und den Worten des historischen Jesus. Denn sie schreiben nicht als Historiker, sondern stellen das, was sie über Jesus sagen, in den Dienst des Kerygmas ...

SPIEGEL: ... der Verkündigung ...

BULTMANN: ... und gerade so machen sie jene Paradoxie des Zugleich vom historischen Daß und seinem eschatologischen Sinn in ihrer Weise deutlich.

SPIEGEL: Über die Bedeutung des Kreuzes, des Todes Jesu am Kreuz, haben Sie so Eindringliches geschrieben wie wenige andere Theologen. Dazu gehört wohl auch der Satz, den einige für berühmt, andere für berüchtigt halten: "War Christus, der den Tod litt, Gottes Sohn, das präexistente Gottwesen, was bedeutet dann für ihn die Übernahme des Sterbens? Wer weiß, daß er nach drei Tagen auferstehen wird, für den will offenbar das Sterben nicht viel besagen!"

BULTMANN: Sie zitieren diesen Satz in diesem Zusammenhang mit Recht: Wenn an der Präexistenz im traditionellen Sinn festgehalten wird, so wird die Bedeutung des Kreuzes abgeschwächt.

SPIEGEL: Nun wirft man Ihnen vor, daß Sie doch mit einem einzigen Satz die Bedeutung des Kreuzes zerstören: "Ob oder wie Jesus in ihm (seinem Tod) einen Sinn gefunden hat, können wir nicht wissen. Die Möglichkeit, daß er zusammengebrochen ist, darf man sich nicht verschleiern."

BULTMANN: An dem von Ihnen zitierten Satz halte ich fest. Die Evangelien liefern uns keine biographischen Angaben, aufgrund derer man entscheiden könnte, mit welchem Bewußtsein Jesus in den Tod gegangen ist. Wohl aber kann man sagen, daß er sich als von Gott Gesandten wußte und also auch sein Schicksal als ein von Gott bestimmtes verstanden hat.

SPIEGEL: Dürfen wir nun zu dem übergehen, was im christlichen Glaubensbekenntnis über Jesus nach seinem Tode ausgesagt wird. Was die Begriffe "niedergefahren zur Hölle" und "aufgefahren gen Himmel" angeht, so scheinen wohl auch Ihre hartnäckigsten Gegner stillschweigend "entmythologisiert" zu haben?

BULTMANN: Ich nehme an, daß meine Gegner wohl oder übel diese Sätze auch entmythologisieren, weil auch sie in dem Bilde einer Welt leben, in der es kein Oben und kein Unten gibt. In welcher Weise sie entmythologisieren, weiß ich allerdings nicht.

SPIEGEL: In einem weit verbreiteten Buch wird behauptet, für Sie sei Jesus nur "auferstanden wie Goethe". Könnten Sie sich, wenn diese Behauptung zuträfe, Christ nennen?

BULTMANN: Daß Jesus auferstanden ist wie Goethe, kann man sagen, wenn man Jesu Person und Werk als ein geistesgeschichtliches Phänomen betrachtet. Denn in der Geistesgeschichte bleiben die Personen und Werke großer Männer wirksam, und das gilt auch für Jesus. Wenn man aber Jesus als eschatologisches Phänomen versteht, und das heißt - nach Römer 10,4* - als das Ende der Weltgeschichte, so wie deren Verlauf für die objektivierenden Betrachtungen vorliegt, so besteht seine Gegenwart nicht in seiner geistesgeschichtlichen Wirkung, sondern sie ereignet sich nur jeweils in der christlichen Verkündigung und im Glauben.

SPIEGEL: An die Auferstehung Jesu zu glauben heißt dann ...

BULTMANN: ... sich von der Verkündigung treffen zu lassen und ihr glaubend zu antworten.
Mehr: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46408216.html
BULTMANN: ... sich von der Verkündigung treffen zu lassen und ihr glaubend zu antworten.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Wenn ich richtig gelesen habe, dann sieht Bultmann in der mythischen Denk- und Sprachform des Neuen Testaments ein Problem, da die modernen Menschen diese mythische Redeweise nicht mehr verstehen. Die Mythen der Evangelien müssten also entmythologisiert werden.
Es geht ihm aber nicht darum, das Mythische aus den Texten zu eliminieren, sondern die Texte neu zu interpretieren, so, dass das ihnen zugrunde liegende Existenzverständnis deutlich wird mit dem Ziel, dass der Mensch sich durch die biblische Verkündigung getroffen fühlt. Getroffen fühlt er sich aber nur dann wenn er die Aussagen der Bibel für sich selbst interpretiert. Der nicht-mythologische Sinn der hinter den mythologischen Aussagen der Evangelien steckt, soll bei der Entmythologisierung herausgearbeitet werden.

Dabei setzt Bultmann voraus, dass das wissenschaftliche Weltbild dem Mythos überlegen ist. Für ihn geht es demnach darum, die theologischen Aussagen der Bibel so zu formulieren, dass sie mit dem modernen Weltbild kompatibel sind. Er will also das Neue Testament modernisieren. Für Bultmann ist schon alles mythisch zu nennen, was nicht dem wissenschaftlichen Weltbild entspricht. Und als mythologisch sind dann alle religiösen Aussagen zu bezeichnen, die sich innerhalb des antiken Weltbildes des Neuen Testaments bewegen.

Gottes Handeln und die Welt darf nicht miteinander vermengt werden wenn gewährleistet werden soll, dass nicht gegen das wissenschaftliche Weltbild verstoßen wird.

Bultmann sagt z. B. dass Jesus nicht von der Jungfrau Maria, sondern als Kind Marias und Josephs geboren sei. Auf die Interview-Frage: Was bedeutet dann "geboren von der Jungfrau Maria"?, sagt er: Es ist der legendarische Ausdruck für den Glaubenssatz, dass der Ursprung der Bedeutung der Person Jesu nicht in seiner natürlichen, innerweltlichen Herkunft gesehen werden darf.

Auf die Interview-Frage, in welchem Sinne ist Jesus Gottes Sohn, antwortet er „Die Gottessohnschaft Jesu Christi besteht darin, dass Jesus im Gehorsam gegen Gott als den Vater - wie besonders das Johannes-Evangelium immer betont - und in Vollmacht das Wort Gottes verkündigte, das uns auch heute noch als sein Wort trifft". In diesem Sinne wäre jeder heutige Verkündiger des "Wort Gottes" auch Gottessohn.

Und die Behauptung „Jesus sei Mensch und nichts als Mensch gewesen“, hält er für christlich und theologisch richtig. (Für diesen Satz kann ich mich auf Luther berufen.) Jesus muss man als eschatologisches Phänomen verstehen und wenn man Jesu Person und Werk als ein geistesgeschichtliches Phänomen betrachtet, kann man sagen: Er ist auferstanden wie Goethe. Seine Gegenwart besteht nicht in seiner geistesgeschichtlichen Wirkung, sondern sie ereignet sich nur jeweils in der christlichen Verkündigung von der Kanzel herab und im Glauben, also im Kopf des Gläubigen.

Inwieweit diese Auffassung von Bultmann noch mit der Lehre der Kirche kompatibel ist, erschließt sich mir nicht. Was hat das noch mit dem Christentum der Kirchen zu tun? Allenfalls begründet hier Bultmann ein „Neuchristentum“. Das „Neue Testament“ müsste dann im Sinne einer neuen Interpretation ohne einen Wunderglauben neu geschrieben werden. In diesem Sinne wäre dann Bultmann doch noch ein Gläubiger geblieben, wenn auch nicht im Sinne der Kirche.

Da sind mir die Forschungsergebnisse einer historisch-kritischen Bibelexegese, wie sie ein Autor wie Heinz-Werner Kubitza dann auch noch in einer glaubwürdigen und leicht verständlichen Sprache formuliert doch lieber. Kein pseudowissenschaftliches und pseudointellektuelles theologisches Geschwurbel. Nach Hans Albert ist „Theologie der professionalisierte und institutionalisierte Missbrauch der Vernunft im Dienste des Glaubens“.

Heinz-Werner Kubitza schreibt:
Die Kirchen, gleich welche auch immer, berufen sich zu Unrecht auf diesen Jesus von Nazareth, den sie für den Sohn Gottes ausgeben. Die kritische Forschung erweist die tradierten Glaubenssätze von Katholiken und Protestanten in ihrem Kern als mit dem historischen Jesus nicht vereinbar.

Jesus war nicht der, für den man ihn hielt, erst durch die religiöse Fantasie der ersten Gläubigen wurde er zu dem gemacht, als der er dann verkündet wurde. Das Christentum ist im letzten Sinne grundlos, ohne Fundament, eine Illusion.

Das Neue Testament erweist sich als brüchige und widersprüchliche Sammlung von Glaubenszeugnissen, als geronnenes Wunschdenken der ersten bis dritten Generation. Gerade die sogenannten Heiligen Schriften ermöglichten der Forschung den Erweis der Haltlosigkeit der kirchlichen Lehren. Das Sola Scriptura (allein die Schrift) der Protestanten, einst trotziger Fels gegen die altgläubigen Katholiken, erweist den Protestantismus heute als im Hemde dastehend. Denn die Schrift ist in ihrem Kern unglaubwürdig geworden. Die katholische Berufung auf eine Tradition war dies schon immer.

Es hilft nichts, wenn Theologen immer wieder versichern, dass der Glaube sich nicht von historischen Fakten abhängig machen dürfe, dass dies dem Glauben gerade widerspreche und dass es auf die persönliche Entscheidung ankomme. Denn vor Fakten kann auch kein Glaube die Augen verschließen, wenn er nicht sich und seinen Träger auf Dauer lächerlich machen will.

....Die Kirchen haben über die Jahrhunderte immer in gutem Glauben gehandelt. Erst die Aufklärung und ihre Ableger der historischen Erforschung der neutestamentlichen Texte haben das dogmatische Kartenhaus einstürzen lassen; sich heute noch auf Unwissenheit zu berufen, dies geht nun nicht mehr. Heute bedeutet ein Nicht-Ernstnehmen oder gar ein Totschweigen wissenschaftlicher Erkenntnisse zumindest die Gefahr eines Selbstbetrugs.
Es ist jedoch offenbar, dass nicht nur viele Gläubige, sondern ganze Kirchen eben dieser Vogel-Strauß-Politik folgen.
Heinz-Werner Kubitza, Der Jesuswahn - Wie die Christen sich ihren Gott erschufen. Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche Forschung, S. 228f)
Hervorhebung von mir
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Christel »

Atheisius hat geschrieben:In diesem Sinne wäre dann Bultmann doch noch ein Gläubiger geblieben, wenn auch nicht im Sinne der Kirche.

Da sind mir die Forschungsergebnisse einer historisch-kritischen Bibelexegese, wie sie ein Autor wie Heinz-Werner Kubitza dann auch noch in einer glaubwürdigen und leicht verständlichen Sprache formuliert doch lieber. Kein pseudowissenschaftliches und pseudointellektuelles theologisches Geschwurbel.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass sich Rudolf Bultmann selbst als Christ verstanden hat.

Ja, ich finde Rudolf Bultmann auch schwierig. Du hast ihn in Spiel gebracht und auf ihn bestanden!

Du hast hier als Thema „Historisch-kritische Bibelauslegung“ vorgegeben. Tatsächlich beschäftigen wir uns jedoch mit der historischen Jesusforschung und deren Vertreter. Dort wird zwar auch historisch-kritisch gearbeitet, es ist jedoch ein Spezialfall.

Eine Ausnahme bildet dieser Einwurf von Dir:
Atheisius hat geschrieben: Was die Echtheit oder Unechtheit der Paulusbriefe angeht, schließe ich mich eher den Forschungsergebnissen von Gerd Lüdemann an. Gerd Lüdemann schreibt:

„Im Neuen Testament gibt es sieben echte und sechs unechte Paulusbriefe, ferner gefälschte Schreiben verschiedener Apostel, die alle als Wort Gottes gelten. Die sechs unechten Paulusbriefe haben Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden.
Der zweite Brief an die Thessalonicher ist die gröbste Fälschung des Neuen Testaments. Sein Verfasser veröffentlichte nicht nur einen Paulusbrief unter falschem Namen, sondern wollte mit seiner Fälschung auch noch einen echten Paulusbrief ersetzen, indem er diesen kurzerhand als Erfindung deklarierte“.


Als weiterführende Literatur empfehle ich:

Gerd Lüdemann: „Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments: Der zweite Thessalonicherbrief“
http://www.amazon.de/gr%C3%B6bste-F%C3% ... ann+paulus
Ich fragte Dich nach näheren Angaben, Datierung und Begründung von Gerd Lüdemann betreffs des 2. Briefs an die Thessalonicher, bekam jedoch keine Antwort.

Gehe ich recht in der Annahme, dass Du die Antwort nicht kennst?

Die Briefe des Neuen Testaments enthalten kein Datum. Zeit und Ort der Abfassung so wie die Verfasserschaft müssen rekonstruiert werden. Nicht immer erzielen die Forscher dabei einen Konsens.

Sieben echte Paulusbriefe bedeuteten, dass bezüglich sieben Briefe kein Zweifel an der Verfasserschaft des Paulus besteht. Selbst liberale Theologen, einschließlich Gerd Lüdemann halten Paulus für den Verfasser dieser Briefe. Alle sind sich einig, dass die Briefe spätestens im Jahr 58, einige davon sogar früher von Paulus verfasst wurden. Seit Jesu Wirken und Kreuzigung waren bis dahin maximal 30 Jahre vergangen.

Der erste Brief an die Thessalonicher gilt übereinstimmend als echter Paulusbrief, auch bei Gerd Lüdemann.
Der Brief wurde im Jahr 50 von Paulus in Korinth verfasst.

Beim 2.Thessalonicher ist die Verfasserschaft umstritten: https://de.wikipedia.org/wiki/2._Brief_ ... salonicher
Darauf weist auch Udo Schnelle „Einleitung in das Neue Testament“ 6. Auflage, 2007, Seite 360 hin.
Man kann den Brief auch nicht genau datieren. Vertreter der Echtheit nehmen das Jahr 50/51 in Korinth an. Andere gehen davon aus, dass der Brief noch zu Lebzeiten bzw. kurz nach dem Tod von Paulus verfasst wurde.

Auf den Seiten 366 f. geht Udo Schnelle auf die „Tendenzen der neueren Forschung“ bezüglich 2. Thessalonicher ein. Er schreibt:
Über den pseudepigraphischen Charakters des 2 Thess herrscht in der neueren Exegese ein weitgehender Konsens. Umstritten bleibt unter dieser Voraussetzung die Datierung, denn sowohl für eine Abfassung noch zu Lebzeiten oder unmittelbar nach dem Tod des Paulus (o. Merk) als auch für einen Abstand von mehreren Jahrzehnten zum 1Thess lassen sich Argumente anführen.
Udo Schnelle nennt auch eine Theorie wonach der 2Thess den ersten Thess als Fälschung ausgeben will.
Das wird mit 2Tess 2,2 und 2Tess 3,17 begründet. (Ich hab die Stellen nachgelesen, das ist mehr als dünn, reine Spekulation.)

Schnelle schreibt weiter Seite 367:
Allerdings stehen dieser These gewichtige Argumente gegenüber:
Ich lasse das jetzt mal weg und zitierte nur das für mich gewichtigste Argument:
Auch der Apostel selbst hätte die eschatologische Parole der Gegner nicht geteilt, so dass 2Thess unter seinen Bedingungen Paulus zurecht in Anspruch nimmt, ohne aber genuin paulinische Eschatologie wiederzugeben.
Das war‘s für heute!

Auf die historische Jesusforschung und Heinz-Werner Kubitza komme ich später zurück.
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Christel schrieb:
Wie auch immer, Tatsache ist, dass sich Rudolf Bultmann selbst als Christ verstanden hat.
Nur er selbst. Die Kirche wohl nicht. Bultmann hatte sehr gute Gründe nicht aus der Kirche auszutreten. Analog liegt es auch so bei Lüdemann.

Christel schrieb:
Du hast hier als Thema „Historisch-kritische Bibelauslegung“ vorgegeben. Tatsächlich beschäftigen wir uns jedoch mit der historischen Jesusforschung und deren Vertreter. Dort wird zwar auch historisch-kritisch gearbeitet, es ist jedoch ein Spezialfall.
1. Wer ist denn „uns“? Du gehörst mit Sicherheit nicht dazu.
2. Was ist die „historische Jesusforschung und deren Vertreter“ im Gegensatz zur historisch-kritischen Bibelexegese?
Christel schrieb:
Sieben echte Paulusbriefe bedeuteten, dass bezüglich sieben Briefe kein Zweifel an der Verfasserschaft des Paulus besteht.
Na das ist ja sehr schön.

Und was ist mit den sechs unechten Paulusbriefen, ferner den gefälschte Schreiben verschiedener Apostel, die alle als Wort Gottes gelten. Diese sechs unechten Paulusbriefe haben Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden.

Was ist mit den etwa 260 Jesu Worten, Aussagen also, von denen behauptet wird, dass sie von Jesus stammen. Die historisch-kritische Bibelforschung hat festgestellt, dass von den 260 Jesusworten nur ein Bruchteil von Jesus selber stammt. Viele Texte sind Jesus von den ersten Christen in den Mund gelegt worden. Deshalb gibt es eine große Gruppe von sogenannten Jesusworten, die den historischen Jesu gar nicht zum Autor haben. Die Zahl der für echt angenommen Jesus-Worte schwankt deshalb von Forscher zu Forscher. Vielleicht sind 5 bis 15 Prozent echt, 10 bis 35 Texte also.

Christel schrieb:
Auf die historische Jesusforschung und Heinz-Werner Kubitza komme ich später zurück.
Da bin ich schon gespannt.
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
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Re: Historisch-kritische Bibelauslegung

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Christel schrieb:
Ich fragte Dich nach näheren Angaben, Datierung und Begründung von Gerd Lüdemann betreffs des 2. Briefs an die Thessalonicher, bekam jedoch keine Antwort.

Gehe ich recht in der Annahme, dass Du die Antwort nicht kennst?
Gerd Lüdemann hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, welches ich dir zur Beantwortung deiner Frage empfehle:

Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments: Der zweite Thessalonicherbrief
Gebundene Ausgabe – 20. September 2010

https://www.amazon.de/gr%C3%B6bste-F%C3 ... entries*=0
Im Neuen Testament gibt es sieben echte und sechs unechte Paulusbriefe, ferner gefälschte Schreiben verschiedener Apostel, die alle als Wort Gottes gelten. Die sechs unechten Paulusbriefe haben Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden.
Der zweite Brief an die Thessalonicher ist die gröbste Fälschung des Neuen Testaments. Sein Verfasser veröffentlichte nicht nur einen Paulusbrief unter falschem Namen, sondern wollte mit seiner Fälschung auch noch einen echten Paulusbrief ersetzen, indem er diesen kurzerhand
als Erfindung deklarierte.
Gerd Lüdemann übersetzt und erklärt den Text und fragt nach den Motiven des Autors, der um die Unwahrheit seiner Angaben gewusst haben muss. Dabei berührt er die Frage, wie frühe Christen zu Fälschern werden konnten, obwohl sie ein leidenschaftliches Wahrheitspathos vertraten und obwohl es in der Antike Echtheitskritik und ein klares Bewusstsein für geistiges Eigentum gab.
Dazu eine Leserrezension:
Als Pseudepigraphie (Falschzuschreibung) bezeichnet man das Phänomen, dass ein Text trügerisch einem bekannten Verfasser zugeschrieben wird. Vor diesem Phänomen macht auch die Bibel, die viele Menschen für das heilige und wahre Wort Gottes betrachten, nicht halt. Das Neue Testament besteht aus vier Evangelien, 21 Briefen, der Apostelgeschichte und der Offenbarung des Johannes. Von diesen 27 biblischen Schriften, darüber herrscht in der historisch-kritischen Bibelforschung Einigkeit, sind sieben echt, drei vielleicht echt, die übrigen bewegen sich zwischen Unechtheit und Anonymität.

Die sechs unechten Paulusbriefe haben vermutlich Schüler des Paulus nach dem Tod ihres Lehrers unter falschem Namen erfunden. Beim Verfassen des zweiten Thessalonicherbriefs gingen sie besonders grob zu Werke. Sie veröffentlichten nicht nur diesen Paulusbrief unter falschem Namen, sondern wollten mit ihrer Fälschung auch noch einen echten Paulusbrief - den ersten Brief an die Thessalonicher - ersetzen, indem sie diesen als Erfindung diffamierten. Sie nutzten damit geschickt die Autorität des Apostels, um andere Botschaften in die christliche Welt zu tragen.

In theologischen Kreisen wird oft behauptet, dass es im Altertum noch keinen Begriff des geistigen Eigentums gegeben habe, und die Zuschreibung einer Schrift an eine bekannte Autorität sei ein in der Antike übliches Verfahren gewesen. Gerd Lüdemann, Professor für Geschichte und Literatur des frühen Christentums an der Universität Göttingen, setzt dagegen und verweist auf Angaben verschiedener antiker Autoren, die sich zu Pseudepigraphen Literatur äußern und diese als solche auch kritisieren. Um seine Behauptung zu stützen, übersetzt und erläutert er allgemeinverständlich den biblischen Text, fragt nach den Motiven des Autors, und argumentiert überzeugend, dass der Autor um die Unwahrheit seiner Angaben gewusst haben muss.

So besteht ein wichtiger inhaltlicher Unterschied zwischen beiden Briefen bezüglich der Zukunftserwartung. Paulus ging davon aus, das Reich Gottes breche zu seinen Lebzeiten an. Der "Pseudo-Paulus", wie ihn Gerd Lüdemann nennt, muss gewusst haben, dass sich Paulus diesbezüglich getäuscht hatte. Weil dadurch die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der Christenheit infrage gestellt werden konnte, formulierten die Fälscher ein ganz anderes Zukunftsbild. Der "echte" Paulus formulierte: "Über Zeit und Stunde, Brüder, brauche ich euch nicht zu schreiben. Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht." Der "Pseudo-Paulus" verlagert Endzeit und Erlösung in eine unbestimmte Zeit: "Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen! Denn zuerst muss der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzwidrigkeit erscheinen, der Sohn des Verderbens."

Professor Lüdemann geht auch ausführlich auf die (meiner Meinung nach sehr berechtigte) Frage ein, wie die frühen Christen zu Fälschern werden konnten, obwohl sie ein ausgeprägtes Wahrheitsideal vertraten und obwohl es in der Antike Echtheitskritik und ein klares Bewusstsein für geistiges Eigentum gab. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass dieser Betrug in "höherer Absicht" geschah. Die Verfasser der Pseudepigraphen Schriften - oft Kirchenoberhäupter - meinten Gott durch ihre Lügen zu dienen. Ebenso wie spätere Christen, die viele Worte und Taten von Jesus erfanden, kannten sie keine Skrupel, Schriftstücke unter dem Namen von Aposteln anzufertigen und deren Echtheit durch literarische Manipulationen vorzutäuschen.
Selbst wenn die Fälscher in guter Absicht die "Kunst des heiligen Lügens" praktizierten, kann das dabei entstandene Werk noch als ethische Instanz gelten, als "Heilige Schrift", als "Gottes Wort"?

Mein Fazit:
Professor Gerd Lüdemann schreibt in seinem neuesten Buch wieder mal Klartext und wird damit fromme Bibelleser (hoffentlich zum Nachdenken) provozieren. Wer sich für die historisch-kritische Untersuchung des Neuen Testaments interessiert und bereit ist seine kirchlich-dogmatischen Scheuklappen abzulegen, der sollte dieses kompakte Buch unbedingt lesen.
Gerd Lüdemann lehrte von 1983 bis 1999 Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.
Von 1999 an bis zum Eintritt in den Ruhestand 2011 lehrte er dort mit einem Sonderstatus „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“ und leitete an der Universität die Abteilung „Frühchristliche Studien“ des „Instituts für Spezialforschungen“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_L%C3%BCdemann

Ergänzungen dazu:
.........Dies musste der Göttinger Professor und Neutestamentler Gerd Lüdemann erleben, nachdem er 1998 nicht nur öffentlich ausgesprochen hatte, dass die meisten „Worte Jesu" nicht echt seien, sondern auch erklärt hatte, dass die Auferstehung Jesu nicht stattgefunden habe. Lüdemann behauptete etwas, was wohl die Mehrzahl der Neutestamentler unterschreiben könnte, was sie aber offen nicht aussprechen würden. Die Kirche betrieb daraufhin massiv die Abberufung Lüdemanns und seine Entfernung aus der theologischen Fakultät. Sein Lehrstuhl ist, wie die meisten theologischen Lehrstühle, bekenntnisgebunden, was durch seinen Fall auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Bekenntnisgebunden an einer staatlichen Universität! Selbst wenn Sie ein theologischer Einstein wären – ohne die passende Kirchenzugehörigkeit dürfen Sie in einer theologischen Fakultät bestenfalls an der Pforte sitzen. Lüdemann weigerte sich aus der Kirche auszutreten, weil dies auch seine zwingende Abberufung bedeutet hätte. In der Folge wurde sein Lehrstuhl deshalb umbenannt, er durfte keine theologischen Prüfungen mehr abnehmen und verlor viele Studenten. Eine Assistentenstelle wurde gestrichen, die Medien sprachen von einem protestantischen Fall Küng. Lüdemann hätte heute keinerlei Chance, wieder auf einen theologischen Lehrstuhl berufen zu werden, da die Kirchen in der Regel ein Mitspracherecht bei der Besetzung haben.

Lüdemann pocht darauf, dass die Wissenschaft frei sein muss, und plädiert für die Ersetzung der Theologischen Fakultäten durch unabhängig forschende religionswissenschaftliche Institute.

Die Kirche hat einen langen Atem. Es besteht kein Zweifel, dass sie dieses Problem aussitzen wird
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„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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