Über die Wahrhaftigkeit von Neutestamentlern
Verfasst: Montag 23. Mai 2016, 15:07
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 209f)….Es gibt praktisch keinen Theologen, der vom Katheder, es gibt keinen Pfarrer, der von der Kanzel nicht doch noch versucht, diesem im Grunde abgelebtem Geschehen irgendeine Wichtigkeit, irgendeine Bedeutung abzugewinnen, und sei es nur durch Sprachakrobatik. Man spricht von Gottes Ja zum Menschen, Von Gottes Herrschaft über den Tod oder von der Auferstehungswirklichkeit.
Konsequent formuliert hier nur der Theologe Gerd Lüdemann:Es ist „sinnlos, etwas über die Auferstehungswirklichkeit zu schreiben, falls man sicher sagen kann, dass Jesus historisch gar nicht auferweckt worden ist.“ (Lüdemann, Die Auferweckung Jesu von den Toten, S. 17)Dem verbalen Weihrauch, der auch von protestantischer Seite immer noch gern geschwenkt wird, um ein für das Christentum zentrales Geschehen mit dem Nebel des Geheimnisses und der Bedeutsamkeit doch noch zu umgeben und aufrechtzuerhalten, setzt Lüdemann die ernüchternde Erkenntnis entgegen, dass das Urmirakel des Christentums einer historischen Überprüfung nicht standhält.Wenn die Auferstehung Jesus nicht stattfand, Jesus demgemäß nicht wiederbelebt und verwandelt wurde, helfen uns weder die Wiederbelebungen von Mythen noch die Einführung eines neuen Begriffs von Geschichte noch der Gebrauch der Predigtsprache darüber hinweg. Der christliche Glaube ist dann genauso tot wie Jesus und kann nur durch Selbsttäuschung am Leben gehalten werden. (Lüdemann, S.18)
Und es muss noch einmal betont werden: Die historische theologische Forschung hat dieses Negativergebnis, diese Entlarvung einer der tragenden Säulen des Christentums bewirkt. Dieses Ergebnis stammt nicht von kirchenfernen Atheisten oder Agnostikern. Es spricht immer über die Qualität von Forschung, wenn sie nicht davor zurückschreckt, auch die Meinungen und Vorurteile der die Forschung Betreibenden zu hinterfragen. Umso mehr muss dies für die Theologie gelten, deren Betreiber sich zu allermeist selber als Glieder der Kirche verstanden und auch noch heute verstehen. Wenn ein Chemiker durch Forschungen seine Vorurteile gegenüber einem Wirkstoff korrigieren muss, ist dies eben viel leichter, als wenn ein im Prinzip gläubiger Neutestamentler feststellen muss, dass Jesus sich geirrt hat. Dass dennoch für die Kirche entlarvendsten Ergebnisse über Jesus und sein Selbstverständnis von Theologen kommen, spricht für die theologische Forschung, zumindest jedenfalls für die neutestamentliche Forschung und zumindest für die Forschung auf protestantischer Seite.Historische Forschung zeigt mit unumstößlicher Sicherheit: Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt. Obwohl der frühchristliche Glaube dies bekennt und die Kirche darauf gebaut ist (…) muss die angeblich durch Gottes Handeln erwiesene Tatsache fortan als widerlegt gelten. (….) Immerhin ist damit die Grundfeste der mächtigsten und zahlenmäßig größten Religion dieser Erde zerstört, das christliche Leben nur noch Schein. Zweitausend Jahre lang übte der Glaube an die Auferstehung Jesu eine ungeheure Wirkung aus, wegen seiner völligen Grundlosigkeit erweist er sich jetzt als welthistorischer Humbug. (Lüdemann S. 156)
Doch man hält hinter dem Berg mit den Ergebnissen. Dabei sind diese Ergebnisse der neutestamentlichen Forschung zu Jesu Leben und Tod für die Kirche nicht weniger spektakulär und umwälzend als die Ablösung des geozentrischen Weltbildes durch ein heliozentrisches Weltbild im 16. Jahrhundert. Doch sie werden fast schamhaft verschwiegen, sind in ihren praktischen Konsequenzen selten Gegenstand eines theologischen Seminars und erst recht kein Thema für die sonntägliche Predigt. Wer diese unausgesprochene Verhaltensnorm nicht beachtet, wer wie Lüdemann als Professor die Dinge beim Namen nennt, wird zwar nicht mehr verfolgt und verbrannt, wie dies die Kirche früher vielfach zu tun pflegte, aber er muss damit rechnen, dass er von seinen Kollegen geschnitten wird und die Kirche ihn beruflich kaltzustellen versucht.
Der Auferstehungsglaube ist im Neuen Testament so zentral, er wird so stark betont, dass man ihn kaum überschätzen kann. Hilflos wirken deshalb die Versuche von Pfarrern und Theologen, ihn in veränderter Form in unsere Zeit hinüber retten zu wollen. Und er ist zu Bedeutsam, man kann ihn nicht zu einer Sache erklären, die nicht so wichtig oder die nur symbolisch oder nur als Metapher zu verstehen sei. Wie von einem Keulenschlag mag Christen und Theologen der Satz des Apostels Paulus im Ohr dröhnen:Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich (…). Dann sind wir erbärmlicher als alle anderen Menschen. (1. Kor. 15,17; 19b)
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 152)…..Für eine Biografie sowieso, aber schon für eine ungefähre Darstellung der Ethik und der Lehre Jesu ist das, was uns in den Evangelien überliefert ist, einfach zu dünn. Es wäre auch dann nicht tragfähig, wenn es schlüssig gelänge, das auf den historischen Jesus zurückgehende Gut von den Hinzufügungen der Gemeinde klar zu scheiden. Diese Erkenntnis der letzten zweihundert Jahre der Forschung zum historischen Jesus, dass wir nämlich letztens vieles einfach nicht mehr wissen können, muss den mahnenden Hintergrund bilden für eine auch künftige, dennoch notwendige wissenschaftliche Forschung zum Thema. Es sollte Systematikern und Neutestamentlern verwehrt sein, Wissenslücken durch eigene Vermutungen und Wunschvorstellungen auszufüllen (davor warnte schon Albert Schweitzer) Ebenso wie die katholische Lösung abzulehnen ist, nämlich die halbfesten Inselchen unserer verantwortbaren Kenntnisse mit prächtigen dogmatischen Brücken zu verbinden. Das erste wäre eine Grenzüberschreitung, das zweite lächerlich und an der Grenze zum Betrug.
Das systematische Theologen und Dogmatiker sich um ein Gesamtbild Jesu bemühen, mag man ja noch verstehen, dass aber auch Neutestamentler, also im eigentlichen Sinne Historiker, ein fast rundes Bild Jesu liefern (so z. B. die gute und schon häufiger zitierte Arbeit von Theißen/Merz, ‚Der historische Jesus‘) muss misstrauisch machen.
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 221f)Es ist bemerkenswert, wie auch in der unbezweifelbar seriösen neutestamentlichen Forschung immer wieder bei der Beschreibung Jesu mit Euphemismen gearbeitet wird, wie man immer auf Zehenspitzen das Scheitern dieses Menschen ausdrückt, so als wolle man niemanden wecken, nicht den Kirchenschlaf stören, keine frommen Bibelleser erschrecken. Die Sicht auf Jesus wird auch von den Exegeten immer gemeindekompatibel gehalten. Der Neutestamentler Theißen z. B. spricht bei Jesus von einem jüdischen Charismatikers, von einem Vollmachtsbewusstsein Jesu, von einem Selbstbewusstsein, das kaum zu überschätzen sei. Er habe ein messianisches Selbstbewusstsein besessen (Theißen/Merz, Der historische Jesus S.486f) Alles wohlklingende Worte, die aber das eigentliche Ergebnis verstellen, dass wir es bei Jesus weniger mit einem religiösen Charismatiker als vielmehr mit einem religiösen Fanatiker, weniger mit einem religiös Inspirierten als vielmehr mit einem religiösen Neurotiker zu tun haben. Und was ist sein „Vollmachtsbewusstsein“ anderes als Ausdruck von Bewusstlosigkeit?
Mit Rücksicht auf die Kirche und mit Rücksicht auf ihre Studenten, von denen viele als Pfarrerinnen und Pfarrer demnächst vor ihrer Gemeinde stehen, können Theologieprofessoren nicht so deutlich formulieren, wollen nicht Ross und Reiter nennen. Vielmehr muss eine verschleiernde Sprache herhalten, um die Ergebnisse der Forschung mit der Predigt der Kirche irgendwie auf Augenhöhe zu bringen. Theißen formuliert in typischer Weise: „Es kam nicht das Gottesreich (…) Gott griff in anderer Weise ein: Er erweckte nach dem Glauben der Jünger den Gekreuzigten vom Tode“ (Theißen/Merz S. 487) Wie man das „nach dem Glauben der Jünger“ gewichten will, kann jeder selbst festlegen Alles nur Hokuspokus oder tatsächlich göttlicher Eingriff? Ein solcher Satz kann ob seiner Biegsamkeit mühelos in jede Predigt übernommen werden.
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 192f)Kaum ein Neutestamentler misst den Auferstehungslegenden irgendeinen historischen Wert bei. Dies geschieht nicht aus persönlichem Unglauben oder gar Böswilligkeit. Das negative Urteil über die Geschichten vom Auferstandenen rührt aus der Analyse der biblischen Texte selbst her. Die Art der Überlieferung der angeblichen Ereignisse erweisen deren historische Unglaubwürdigkeit. Allerdings hängen die Theologen diese Erkenntnis, die ja eigentlich deutliche Konsequenzen für die Kirchen und die Gläubigen haben müsste, bewusst nicht an die große Glocke. Persönlich und als Wissenschaftler ist man davon überzeugt, dass z. B. die Auferstehungsgeschichten mehr oder weniger gut gemachte Produkte der Evangelisten sind, und vertritt diese Überzeugung auch in exegetisch sauber gearbeiteten Kommentaren gegenüber Fachkollegen und Theologiestudenten. Öffentlich, in Kirche und Gesellschaft, hält man sich aber mit direkten Äußerungen sehr zurück. Man kann damit keine Punkte sammeln, ist auch weiterhin an einem guten Verhältnis zur Kirche interessiert und möchte nicht anecken. Detailarbeit über einen unbedeutenden Halbvers in einem apokryphen Evangelium findet kirchliche und auch wissenschaftliche Anerkennung, nicht aber die allzu deutlich vorgetragene Kritik an liebgewonnenen und kirchlich gewollten Glaubensvorstellungen. So kommt es zu dem eigenartigen Sachverhalt, dass vor allem die neutestamentliche Forschung eigentlich revolutionäre Ergebnisse vorzuweisen hat, wirklich geeignet, die Fundamente der Kirche aus den Angeln zu heben, sie aber selbst geneigt ist, diese Ergebnisse herunterzuspielen oder nur in einer eigentümlich verklausulierten und entschärfenden Sprache und in einem Akt der freiwilligen Selbstbeschränkung den Menschen zuzumuten meint, wenn überhaupt. Man fühlt sich allemal eher geneigt, Glaubensüberzeugungen noch positiv zu verstärken, statt deren Haltlosigkeit zu demonstrieren. Es verhält sich im übertragenen Sinne so, als wüssten die Theologen längst, dass die Erde eine Kugel ist, lobten aber dennoch den Glaubenseifer derjenigen, die sie nach wie vor für eine Scheibe halten.
Niemand zwingt die Theologen dazu (dies gilt nur eingeschränkt für katholische Theologen), es ist mehr der Wunsch nach außen hin einem gewissen religiös-gesellschaftlichen Mittelwert zu entsprechen und mit der Kirche in gutem Einvernehmen zu bleiben. So sind Professoren der Theologie in der Kirche immer gerne gesehen. Wenn ein Theologe dann doch einmal deutlich wird und kirchliche Positionen aufgrund seiner Forschungen infrage stellt, muss er auch in den protestantischen Kirchen mit Gegenwind rechnen.
Dies musste der Göttinger Professor und Neutestamentler Gerd Lüdemann erleben, nachdem er 1998 nicht nur öffentlich ausgesprochen hatte, dass die meisten „Worte Jesu" nicht echt seien, sondern auch erklärt hatte, dass die Auferstehung Jesu nicht stattgefunden habe. Lüdemann behauptete etwas, was wohl die Mehrzahl der Neutestamentler unterschreiben könnte, was sie aber offen nicht aussprechen würden. Die Kirche betrieb daraufhin massiv die Abberufung Lüdemanns und seine Entfernung aus der theologischen Fakultät. Sein Lehrstuhl ist, wie die meisten theologischen Lehrstühle, bekenntnisgebunden, was durch seinen Fall auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Bekenntnisgebunden an einer staatlichen Universität! Selbst wenn Sie ein theologischer Einstein wären – ohne die passende Kirchenzugehörigkeit dürfen Sie in einer theologischen Fakultät bestenfalls an der Pforte sitzen. Lüdemann weigerte sich aus der Kirche auszutreten, weil dies auch seine zwingende Abberufung bedeutet hätte. In der Folge wurde sein Lehrstuhl deshalb umbenannt, er durfte keine theologischen Prüfungen mehr abnehmen und verlor viele Studenten. Eine Assistentenstelle wurde gestrichen, die Medien sprachen von einem protestantischen Fall Küng. Lüdemann hätte heute keinerlei Chance, wieder auf einen theologischen Lehrstuhl berufen zu werden, da die Kirchen in der Regel ein Mitspracherecht bei der Besetzung haben. Lüdemann pocht darauf, dass die Wissenschaft frei sein muss, und plädiert für die Ersetzung der Theologischen Fakultäten durch unabhängig forschende religionswissenschaftliche Institute. Die Kirche hat einen langen Atem. Es besteht kein Zweifel, dass sie dieses Problem aussitzen wird.
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 122f)Theologen und Pfarrer, die behaupten, es gäbe keine Wunder, deshalb habe auch Jesus keine getan, schaufeln sich ihr eigenes berufliches Grab. Es wird deshalb Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Gläubigen und der Kirche genommen. In exegetischen Kommentaren und vor allem in systematisch-theologischen Büchern wird deshalb beim Thema Wunder oft ein regelrechter Eiertanz aufgeführt, der gerne mit einem bunten Strauß an selbstkreierter Begrifflichkeit daherkommt und auf hohem oder vermeintlich hohem Abstraktionsniveau eine Sinngehalt der Aussagen nur vortäuscht. Nirgendwo werden in der Theologie so viele Nebelkerzen geworfen wie bei den Wundern und der Auferstehung. Selbst die eher nüchternen und mit anerkannten historischen Methoden arbeitenden Neutestamentler geraten hier zuweilen in eine religiöse Lyrik hinein, wie man sie sonst nur von ihren dogmatischen Kollegen kennt.
(Heinz-Werner Kubitza „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“. S. 13)Gläubige müssen es sich schon gefallen lassen, dass Behauptungen wie die, dass ein Mensch gewordener Gottessohn für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist, dass er von den Toten auferstanden und dass er Teil einer göttlichen Trinität ist, aus dem Kirchendunkel und Beichtstuhlmief ins vergleichsweise klare Licht der historischen Betrachtungen gezogen werden. Das starre Festhalten an überlieferten und angeblich ewigen und heiligen Glaubenssätzen trotz des klaren Nachweises ihres historischen Gewordenseins, das Behaupten einer Scheinwelt neben der empirisch erfahrbaren Welt, gar die Erwartung einer Hölle mit ewigen Qualen oder eines Paradieses (mit oder ohne Jungfrauen) samt eines Lebens nach dem Tod; dies hat durchaus wahnhafte Züge.
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