Christel schrieb:
Dann drücke ich es anders aus, Jesus hat eine Weltreligion gestiftet.
Ob das seine Absicht war oder nicht spielt keine Rolle.
Das Christentum entstand ohne Paulus. Es gab nach Jesus Tod und Auferstehung bereits 2,3 Jahre Christen, bevor auch Paulus selbst Christ wurde.
Wieder falsch!
Der Stifter dieser Weltreligion hat den Jesus nur für seine Theologie benutzt.
Paulus war der erste der den Jesus Christus nennt. Danach gab es dann auch Christen. Die ersten jüdischen Anhänger von Jesus nannten sich nicht Christen. Es waren einfach nur einfache Juden die Jesus anhingen.
Paulus kannte den Jesus nicht. Er hörte von einem Gerücht, dass dieser Jesus von den Toten auferstanden sei. Das faszinierte ihn. Das Leben dieses Jesus interessierte ihn nicht.
Seine theologische Phantasie entzündete sich jedoch an diesem Jesus, seinem Tod und seiner Auferstehung.
Eine neue Theologie des Paulus entsteht. Paulus verarbeitet jüdische, hellenistische und gnostische Elemente. Den ersten Anhängern des Jesus ist das alles sehr fremd. Sie kennen Jesus als frommen Juden. Die neue Theologie ist mit dem Judentum nicht vereinbar. Paulus stört das alles nicht. Er will das Judentum überwinden und seine Theologie den Heiden verklickern. Zu Beginn des Christentums gab es damit zwei Grundpositionen: eine judenchristliche und eine heidenchristliche.
Ein Bestandteil der neuen Theologie des Paulus ist zum Beispiel einen Gott zu essen. Das hat er bei den alten Griechen entlehnt: Zu den ekstatischen Riten für den griechischen (ursprünglich thrakischen) Gott Dionysos gehörte es, Stiere bei lebendigem Leib zu zerreißen und das noch zuckende Fleisch zu essen. Dabei glaubte man den Gott selbst zu essen und sich so mit ihm zu vereinigen.
Das Ritual der Verspeisung eines Gottes ist Bestandteil vieler Religionskonzepte. Es hat mit Totemismus zu tun. Das gemeinschaftliche töten und aufessen des Totemtieres gehört, zu den ältesten religiösen Handlungen überhaupt.
Die Eucharistie des Paulus, das christliche Modell eines rituellen sakramentalen Mahles, bei dem das Opfertier (Jesus als das Lamm Gottes) gemeinsam verspeist wird, ist den antiken Mysterienreligionen entlehnt bzw. nachgebildet.
Am deutlichsten ist die Parallele zu den Mithra-Mysterien, hier wurde Brot und Wein gereicht – und damit an das letzte Mahl erinnert, dass Gott Mithra auf Erden eingenommen hatte. (Kannibalistische Aspekte kamen erst später hinzu. Wenn – worauf die katholische Kirche heute noch besteht, das Brot wirklich der Leib Christi und der Wein wirklich sein Blut ist, dann ist hier Kannibalismus angesprochen, der – tatsächlich oder nur symbolisch praktiziert – in vielen Kulturen eine Rolle spielt. Man erlangt dabei Anteil an der Stärke, der Weisheit dessen, der da aufgegessen wird.)
Dass sich Brot und Wein (Stichwort Transsubstantiation) bei der Eucharistiefeier tatsächlich in Leib und Blut Jesu Christi verwandeln, war lange umstritten. Im zweiten Jahrhundert hat noch der Heilige Irenäus diese Vorstellung als Irrlehre heftig bekämpft und verdammt. 1215, auf dem Vierten Laterankonzil, wurde sie freilich zum katholischen Dogma.
So ist überhaupt vieles, was ein Christ heute glauben muss erst sehr spät zur „Glaubenswahrheit“ geworden, woraus der ein wenig paradoxe Umstand entsteht, dass Paulus mit dem was er glaubte, vor einem heutigen konservativen Bischof, kaum als wahrer und rechtgläubiger Christ gelten könnte.
Dass Paulus keine Ahnung davon hatte, dass Jesus aus einer Jungfrau geboren wurde, gehört auch dazu. Paulus wäre es sehr merkwürdig vorgekommen, hätte jemand von ihm verlangt zu glauben was jeder Katholik heute (seit 1950) glauben muss, dass nämlich Maria als einziger Mensch auch mit ihrem Leib in den Himmel aufgenommen sei.
Ob Paulus schon etwas von der Hölle wußte, ist nicht sicher. Vermutlich nein. Er glaubte eher, dass, wer nicht der Erlösung teilhaftig wird, nach dem Tode einfach tot sei.
Von der Unfehlbarkeit eines Papstes hat Paulus auf jeden Fall nichts gewusst, weil er das Amt des Papstes noch gar nicht kannte. Hätte er es gekannt, er hätte es gewiss seinem Konkurrenten Petrus (der es auch noch nicht gekannt hat) nicht gegönnt und nicht überlassen.
Einer, der heute glaubt, was Paulus geglaubt hat, wäre kein rechter Christ. Vor etlichen hundert Jahren noch hätte so einer sogar als Ketzer und Häretiker gegolten.