Der Glaubenswahn
Verfasst: Donnerstag 14. Oktober 2021, 15:44
Buchvorstellung: „Der Glaubenswahn - Von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament“
von Heinz-Werner Kubitza; Tectum Verlag Marburg, 2017
Der Gott des Alten Testaments ist ein Problem. Denn der biblische Jahwe ist nicht der friedliebend barmherzige Vater, als den ihn die Kirchen gerne verkünden. Stattdessen tritt er – für Gläubige irritierend – immer wieder als Kriegsgott auf, als gnadenloser Rachegott und übler Ausländerfeind, ja sogar als Massenmörder oder sexueller Gewalttäter. Ein Gott mit fast schon faschistoiden Zügen. Bei seinen Expeditionen in die Untiefen des Alten Testaments und die moderne Forschungslage liefert Heinz-Werner Kubitza Antworten auf die Frage, wer diesen Gott so grausam gemacht hat. Und macht plausibel, dass die von den Kirchen wie Helden verehrten Propheten als die ersten historisch greifbaren Vertreter eines religiösen Extremismus gelten müssen. Kubitza zeigt: Kirchen und Gläubige blenden mit den dunklen Seiten ihres Gottes im Alten Testament auch die Anfänge des religiösen Extremismus aus.
https://www.amazon.de/Glaubenswahn-Anf% ... 3828838499
Rezension von Dr. Harald Specht
Aller guten Dinge sind drei, sagt der Volksmund. Dies mag sich auch Heinz-Werner Kubitza gedacht haben, als er sich nach seinen Sachbüchern „Der Jesuswahn“ und „Der Dogmenwahn“ nun dem Wort Gottes im sogenannten „Alten Testament“ zuwandte, um seine Trilogie zur Religions- und Kirchenkritik mit seinem jüngsten Buch zu komplettieren. Auf 344 Seiten samt Endnoten und Literaturverzeichnis bietet das als Hardcover vorbildlich gestaltete Buch „Der Glaubenswahn“ eine kritische Gesamtschau zum religiösen Extremismus.
Kubitza, der als Leiter des Tectum-Verlages seit 2011 selbst die Sparte „Religionskritik und Humanismus“ verantwortet und somit erneut auch einen ausgezeichneten Beitrag zum säkularen Humanismus und aufklärerischen Denken stiftet, setzt damit vor allem seinen (leicht-)gläubigen Lesern wieder eine schwere Kost vor, die diesmal ganz speziell die dunklen Seiten des Alten Testaments ins Blickfeld rückt und seinen Gott Jahwe anhand seiner heiligen Worte und Taten als gnadenlosen Rachegott, Ausländerfeind übelster Sorte, ja sogar sexuellen Gewalttäter und Massenmörder entlarvt.
Für den Verfasser gar ein „Gott mit fast schon faschistoiden Zügen“ (Klappentext). Eine Gottes-Charakterisierung, die bei so manchen treuen Bibellesern, aber vor allem Gläubigen, die ihre Heilige Schrift weniger kennen, erneut Entsetzen auslösen dürfte.
Für den schreibenden Kirchen-Kritiker ist die antike Buchsammlung, die fromme Kirchenmänner als das „Alte Testament“ loben, nicht nur das „am meisten überschätzte Buch der Weltliteratur“ -S. 319 -, sondern auch „ein gefundenes Fressen“ - S. 29 -.
Für viele der einfachen Gut- und Leicht-Gläubigen wird Kubitzas Buch daher erneut ein unglaubliches Werk des Frevels sein. (Ob sich aber Theologen und Kirchenmänner oder auch nur die Mehrheit der heutigen EKD-Christen in ihrer „etwas naiven Art“ - S. 48 - wirklich aufgerüttelt sehen, sei dahingestellt. Eher wird man den „Glaubenswahn“ totschweigen, ist Ignoranz doch nach wie vor ein bewährtes Mittel religiös-intellektueller Auseinandersetzung.) Dennoch: Dem „Gefühl der Überheblichkeit und des vermeintlichen Mehrwissens, das Gläubige gegenüber Andersgläubigen auszeichnet“ - S. 87 -, wird durch Kubitzas Kritik am Glaubenswahn zumindest mit sachlichen Argumenten begegnet und somit treffsicher entgegengewirkt.
Das Strickmuster des Autors ist ebenso schlicht wie eindringlich: Nahezu jeder im Text des Alten Testaments aufgefundenen Stelle, die den boshaften, inhumanen und kriegerischen Charakter des Gottes Jahwe und seiner Apologeten bis hin zum Völkermord beschreibt, legt der Autor unsere heutigen Maßstäbe hinsichtlich Humanismus und Menschenrechte wie eine Axt an einen morschen Baum an. Hierdurch wird die Unmenschlichkeit dieses Gottes und seiner Diener in deren Denken und Handeln nicht nur deutlich vor Augen geführt, sondern zurecht auch verurteilt und an den Pranger gestellt.
Ihre religiös-extremistischen Botschaften und Untaten reichen von vergleichsweise niederer Gesinnung und Fremdenfeindlichkeit bis hin zu abscheulichen Eroberungskriegen und Völkermord. Zurecht drastisch dann auch das jeweilige Urteil Kubitzas, wenn er derartiges Denken, Reden und Tun dieses Gottes und seiner „religiösen Neurotiker“ (S.50) und Wortbefolger mit klaren Worten geißelt. Schon hier zeigt sich eine wesentliche Stärke Kubitzas: Seine außergewöhnliche Begabung, mit treffsicheren Worten und einem fast salopp-spöttischen Unterton auch schwierige Zusammenhänge sehr pointiert zu kommentieren und so dem breiten Lesepublikum geistreich aufzubereiten. (Fügungen wie „religiöse Wellness“ - S. 45 – oder „göttliche(s) Domina-Studio“ – S. 274 - sind leicht verständlich und schon deshalb auflockernd wie eindringlich.)
Naturgemäß wird die leicht nachvollziehbare Kritik und Verachtung dieses grausamen Gottes Jahwe und seiner Taten aber stets relativiert, wenn der Verfasser zweierlei Umstände einräumen muss: Nämlich zum Einen, dass jene im Alten Testament kritisierten Jahwe-Worte, Taten und Geschichten allesamt nur erfunden wurden, (denn „all dies hat es nie gegeben“, weil die „alttestamentliche ‚Heilsgeschichte‘“ in wesentlichen Teilen nur eine „Erfindung von Theologen“ ist - S. 82 -.) „Die Kriege sind erfunden, und auch der kriegerische Gott ist erfunden“, so auch die immer wieder lautende Erkenntnis der Historiker und des Verfassers. Und zum Zweiten, dass die Urteile über dieses fiktive unmenschliche Gottesgebaren vom Verfasser ja aus „heutiger Sicht“ - z.B. S.23, S. 29 - gefällt werden.
Hier zeigt sich wohl das wesentliche Dilemma der Kritik am Glaubenswahn, die scheinbar ebenso ins Leere liefe, als würde man den bösen Wolf im Volksmärchen aufs Korn nehmen. Wer denn erst weiß, dass es Rotkäppchen nie gegeben hat, braucht sich über die Bos- und Bisshaftigkeit des Wolfes nimmermehr Gedanken machen.
Alle im Alten Testament versammelten „Gottesworte und auch das göttliche ‚Schnauben‘“ - S. 36 - sind aber ebenfalls zu großen Teilen nur Dichtung und Phantasie. Wären deshalb auch die im Text offenbarten Gewalttaten, der extreme religiöse Fanatismus, die fast lustvoll ausgemalten grausamen Exzesse und die zahlreichen Kriegsverbrechen des Gottes Jahwe und seines auserwählten Volkes weniger anzuklagen oder gar unbedeutend, nur weil „ein ganzer Krieg mit einer halben Million Toter aus durchsichtigen theologischen Gründen (mal) einfach (so nebenbei) erfunden“ worden sind? - S. 38 – Sicher nicht!
Vielen Menschen, die ihren Gott nur als den allgütigen und „friedliebenden barmherzigen Vater“ kennen, mag Kubitzas deutliche Kritik an dieser „Vaterrolle“ und damit der Charakterisierung ihres Glaubens als Wahn zu denken geben. Und Denken kann auch neben dem Glauben nicht verkehrt sein. Denn sonst wird der Gläubige „ohne dass er es bemerkt, in eine Geschichtsideologie mit hineingenommen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Doch die Ideologie verwandelt sich im gläubigen Hirn in wirklich geschehene Geschichte.“ - S.81 –
Mit dem Kapitel über „Die Gründe für Jahwes Gewalttätigkeit“ - ab S. 53 - geht der Autor auch greifbaren historischen Spuren nach, die zu eben dieser Art von antiker Literatur und noch heute geübtem Glauben führten. Hier hätte sich der Rezensent eine noch ausführlichere Darstellung des aktuellen Forschungsstandes gewünscht, überzeugen doch Fakten (wie etwa archäologische Befunde) oft mehr als sich wiederholende, wenn auch treffende Wortargumentation. Besonders gelungen sind daher z.B. die Darstellungen zur „Jahwe-allein-Bewegung“, die Erklärungen zu religiösen jüdischen Festen und Traditionen (wie etwa zum Sabbat) oder zur Entstehung der Glaubensregeln und -vorschriften (siehe Beschneidung) als Umdeutungen für den mit Macht installierten Jahwe-Glauben. Und so ist es für den Verfasser „mehr als ein absurder Gedanke, dass Gott ein Interesse daran haben könnte, die Geschlechtsteile von Kindern als Zeichen eines Bundes mit ihm zu verstümmeln. Welcher wahre Gott könnte so primitiv sein?“ - S. 88 - (Was der Humanist und Atheist Kubitza allerdings unter einem „wahren Gott“ versteht, blieb dem Rezensenten unerschlossen.)
Spätestens wenn der „gelernte Theologe“ H.-W. Kubitza auch näher auf die Rolle der Theologie im Zusammenhang mit dem Alten Testament eingeht, wird er auch generell zum Kritiker an Klerus und Kirche, bringt der Verfasser auch seine persönliche Ablehnung gegen Dogmatik und Kirche überzeugend zum Ausdruck. („Religion verdirbt zwar nicht den Charakter, aber auf jeden Fall die ethischen Wertmaßstäbe“. - S. 105 –)
Besonders wertvoll werden Kubitzas Aussagen also immer dann, wenn er deutliche Bezüge zu aktuellen politischen Sachverhalten herstellt und z.B. die durch biblische Aussagen „untermauerten“ Gebietsansprüche ultraorthodoxer Fanatiker gegenüber den Palästinensern kritisiert. - z.B. S. 21 - „Religiöser Wahn führt damals wie heute“ nicht nur zu „absurden Landansprüchen“ und „widerlichen Gewaltfantasien“ bis hin zu wahren Ausgeburten „primitiven Rachedenkens“ und Auslöschung der gesamten Menschheit - S. 31 -, sondern auch in der Tat und in der heutigen Wirklichkeit zu religiös motivierter Landnahme, Terror und Mordanschlägen.
Im Zentrum des 2. Teils seines Buches - ab S. 181 - nimmt sich Kubitza die Propheten vor. Wie im Falle Jahwes selbst werden nun auch die Mahner und Verkünder als religiöse Extremisten, aber vor allem falsche Deuter und Fanatiker entzaubert. Insbesondere die Messias-Weissagungen, die Christen zu Unrecht als Vorausdeutungen auf die Rolle eines Jesus von Nazareth dienen, geben hier das Bindeglied zwischen Altem und Neuem Testament. Doch die „in Gottesworte gekleidete prophetischen Fantastereien“ – S. 222 – haben sich nicht erfüllt. (Dass der Autor trotz seiner tiefgründigen Analyse letztlich an der Historizität eines „galiläischen Wanderpredigers“ festhält, mag deshalb erstaunen.)
Herausragende Kapitel, wie etwa die Kommentierung des aktuellen Befundes zu Theologie und Glauben in unserer Zeit („Theologische Illusionen“ – S. 230 f -) zeigen wiederum die Stärke des Autors, die aktuelle Situation der Theologie wie der Christen kenntnisreich zu analysieren und einzuschätzen. („Theologie ist ohnehin ein Jonglieren mit Scheinproblemen.“ – S. 266 -)
Es ist zu spüren, dass „Der Glaubenswahn“ als Sachbuch (bewusst?) keiner speziellen dramaturgischen Idee oder einem letztlich zu beweisenden Leitgedanken folgt. Ein gemächlicher Algorithmus und gelegentliche Rekapitulationen sind angesichts der Vielzahl biblischer Zitate auch kaum vermeidbar. Dies mildert aber kaum den positiven Gesamteindruck und Kubitza versteht es durch seine lebhafte Sprache, die akribische Spurensuche spannend zu halten. Und so ist das letzte Drittel des „Glaubenswahns“ einer kritischen Reflektion und Bewertung des Alten Testaments vorbehalten, deren Prüfkriterien die inhaltlich-literarische Qualität, der philosophisch-ethische Gehalt und der (natur-) wissenschaftliche Wert des antiken Textes sind.
Somit ist Kubitzas drittes Buch zum religiösen Wahn weit mehr als nur eine Sammlung von Anklagen an den Kriegsgott Jahwe und die falsche biblische Prophetie. Die gelungene Zusammenstellung und Kommentierung unsäglicher Zeugnisse des religiösen Extremismus im Alten Testament (wie generell) macht Kubitzas Werk überzeugend und aktueller denn je. Überschriften wie „Jahwe als Ausländerfeind“, „Gott vergiftet die sozialen Beziehungen“ oder „Der alttestamentliche Gott und sexuelle Gewalt“ mögen hier nur als Indiz herhalten, um auch diese Seite des Buches zu unterstreichen.
Dem Autor ist es in vorbildlicher Weise gelungen, die vordergründige Kritik an einer uralten Schrift auch ganz allgemein schlüssig mit der Kritik am Monotheismus, an den verhängnisvollen historischen Auswirkungen des Patriarchats, den Irrungen und Wirrungen des Glaubens und Aberglaubens sowie den unsäglichen Gräueltaten von Gewalt und Krieg zu verbinden. Kubitzas aufklärerisches Gesamtanliegen zieht sich daher wie ein Roter Faden durch das Buch, das „die Welt nicht vernünftig machen…“ wird, „aber ein wenig vernünftiger“ vielleicht schon.
Seine 5-Sterne-Bewertung und eine klare Kaufempfehlung hat das Buch daher in mehrfacher Hinsicht verdient!
von Heinz-Werner Kubitza; Tectum Verlag Marburg, 2017
Der Gott des Alten Testaments ist ein Problem. Denn der biblische Jahwe ist nicht der friedliebend barmherzige Vater, als den ihn die Kirchen gerne verkünden. Stattdessen tritt er – für Gläubige irritierend – immer wieder als Kriegsgott auf, als gnadenloser Rachegott und übler Ausländerfeind, ja sogar als Massenmörder oder sexueller Gewalttäter. Ein Gott mit fast schon faschistoiden Zügen. Bei seinen Expeditionen in die Untiefen des Alten Testaments und die moderne Forschungslage liefert Heinz-Werner Kubitza Antworten auf die Frage, wer diesen Gott so grausam gemacht hat. Und macht plausibel, dass die von den Kirchen wie Helden verehrten Propheten als die ersten historisch greifbaren Vertreter eines religiösen Extremismus gelten müssen. Kubitza zeigt: Kirchen und Gläubige blenden mit den dunklen Seiten ihres Gottes im Alten Testament auch die Anfänge des religiösen Extremismus aus.
https://www.amazon.de/Glaubenswahn-Anf% ... 3828838499
Rezension von Dr. Harald Specht
Aller guten Dinge sind drei, sagt der Volksmund. Dies mag sich auch Heinz-Werner Kubitza gedacht haben, als er sich nach seinen Sachbüchern „Der Jesuswahn“ und „Der Dogmenwahn“ nun dem Wort Gottes im sogenannten „Alten Testament“ zuwandte, um seine Trilogie zur Religions- und Kirchenkritik mit seinem jüngsten Buch zu komplettieren. Auf 344 Seiten samt Endnoten und Literaturverzeichnis bietet das als Hardcover vorbildlich gestaltete Buch „Der Glaubenswahn“ eine kritische Gesamtschau zum religiösen Extremismus.
Kubitza, der als Leiter des Tectum-Verlages seit 2011 selbst die Sparte „Religionskritik und Humanismus“ verantwortet und somit erneut auch einen ausgezeichneten Beitrag zum säkularen Humanismus und aufklärerischen Denken stiftet, setzt damit vor allem seinen (leicht-)gläubigen Lesern wieder eine schwere Kost vor, die diesmal ganz speziell die dunklen Seiten des Alten Testaments ins Blickfeld rückt und seinen Gott Jahwe anhand seiner heiligen Worte und Taten als gnadenlosen Rachegott, Ausländerfeind übelster Sorte, ja sogar sexuellen Gewalttäter und Massenmörder entlarvt.
Für den Verfasser gar ein „Gott mit fast schon faschistoiden Zügen“ (Klappentext). Eine Gottes-Charakterisierung, die bei so manchen treuen Bibellesern, aber vor allem Gläubigen, die ihre Heilige Schrift weniger kennen, erneut Entsetzen auslösen dürfte.
Für den schreibenden Kirchen-Kritiker ist die antike Buchsammlung, die fromme Kirchenmänner als das „Alte Testament“ loben, nicht nur das „am meisten überschätzte Buch der Weltliteratur“ -S. 319 -, sondern auch „ein gefundenes Fressen“ - S. 29 -.
Für viele der einfachen Gut- und Leicht-Gläubigen wird Kubitzas Buch daher erneut ein unglaubliches Werk des Frevels sein. (Ob sich aber Theologen und Kirchenmänner oder auch nur die Mehrheit der heutigen EKD-Christen in ihrer „etwas naiven Art“ - S. 48 - wirklich aufgerüttelt sehen, sei dahingestellt. Eher wird man den „Glaubenswahn“ totschweigen, ist Ignoranz doch nach wie vor ein bewährtes Mittel religiös-intellektueller Auseinandersetzung.) Dennoch: Dem „Gefühl der Überheblichkeit und des vermeintlichen Mehrwissens, das Gläubige gegenüber Andersgläubigen auszeichnet“ - S. 87 -, wird durch Kubitzas Kritik am Glaubenswahn zumindest mit sachlichen Argumenten begegnet und somit treffsicher entgegengewirkt.
Das Strickmuster des Autors ist ebenso schlicht wie eindringlich: Nahezu jeder im Text des Alten Testaments aufgefundenen Stelle, die den boshaften, inhumanen und kriegerischen Charakter des Gottes Jahwe und seiner Apologeten bis hin zum Völkermord beschreibt, legt der Autor unsere heutigen Maßstäbe hinsichtlich Humanismus und Menschenrechte wie eine Axt an einen morschen Baum an. Hierdurch wird die Unmenschlichkeit dieses Gottes und seiner Diener in deren Denken und Handeln nicht nur deutlich vor Augen geführt, sondern zurecht auch verurteilt und an den Pranger gestellt.
Ihre religiös-extremistischen Botschaften und Untaten reichen von vergleichsweise niederer Gesinnung und Fremdenfeindlichkeit bis hin zu abscheulichen Eroberungskriegen und Völkermord. Zurecht drastisch dann auch das jeweilige Urteil Kubitzas, wenn er derartiges Denken, Reden und Tun dieses Gottes und seiner „religiösen Neurotiker“ (S.50) und Wortbefolger mit klaren Worten geißelt. Schon hier zeigt sich eine wesentliche Stärke Kubitzas: Seine außergewöhnliche Begabung, mit treffsicheren Worten und einem fast salopp-spöttischen Unterton auch schwierige Zusammenhänge sehr pointiert zu kommentieren und so dem breiten Lesepublikum geistreich aufzubereiten. (Fügungen wie „religiöse Wellness“ - S. 45 – oder „göttliche(s) Domina-Studio“ – S. 274 - sind leicht verständlich und schon deshalb auflockernd wie eindringlich.)
Naturgemäß wird die leicht nachvollziehbare Kritik und Verachtung dieses grausamen Gottes Jahwe und seiner Taten aber stets relativiert, wenn der Verfasser zweierlei Umstände einräumen muss: Nämlich zum Einen, dass jene im Alten Testament kritisierten Jahwe-Worte, Taten und Geschichten allesamt nur erfunden wurden, (denn „all dies hat es nie gegeben“, weil die „alttestamentliche ‚Heilsgeschichte‘“ in wesentlichen Teilen nur eine „Erfindung von Theologen“ ist - S. 82 -.) „Die Kriege sind erfunden, und auch der kriegerische Gott ist erfunden“, so auch die immer wieder lautende Erkenntnis der Historiker und des Verfassers. Und zum Zweiten, dass die Urteile über dieses fiktive unmenschliche Gottesgebaren vom Verfasser ja aus „heutiger Sicht“ - z.B. S.23, S. 29 - gefällt werden.
Hier zeigt sich wohl das wesentliche Dilemma der Kritik am Glaubenswahn, die scheinbar ebenso ins Leere liefe, als würde man den bösen Wolf im Volksmärchen aufs Korn nehmen. Wer denn erst weiß, dass es Rotkäppchen nie gegeben hat, braucht sich über die Bos- und Bisshaftigkeit des Wolfes nimmermehr Gedanken machen.
Alle im Alten Testament versammelten „Gottesworte und auch das göttliche ‚Schnauben‘“ - S. 36 - sind aber ebenfalls zu großen Teilen nur Dichtung und Phantasie. Wären deshalb auch die im Text offenbarten Gewalttaten, der extreme religiöse Fanatismus, die fast lustvoll ausgemalten grausamen Exzesse und die zahlreichen Kriegsverbrechen des Gottes Jahwe und seines auserwählten Volkes weniger anzuklagen oder gar unbedeutend, nur weil „ein ganzer Krieg mit einer halben Million Toter aus durchsichtigen theologischen Gründen (mal) einfach (so nebenbei) erfunden“ worden sind? - S. 38 – Sicher nicht!
Vielen Menschen, die ihren Gott nur als den allgütigen und „friedliebenden barmherzigen Vater“ kennen, mag Kubitzas deutliche Kritik an dieser „Vaterrolle“ und damit der Charakterisierung ihres Glaubens als Wahn zu denken geben. Und Denken kann auch neben dem Glauben nicht verkehrt sein. Denn sonst wird der Gläubige „ohne dass er es bemerkt, in eine Geschichtsideologie mit hineingenommen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Doch die Ideologie verwandelt sich im gläubigen Hirn in wirklich geschehene Geschichte.“ - S.81 –
Mit dem Kapitel über „Die Gründe für Jahwes Gewalttätigkeit“ - ab S. 53 - geht der Autor auch greifbaren historischen Spuren nach, die zu eben dieser Art von antiker Literatur und noch heute geübtem Glauben führten. Hier hätte sich der Rezensent eine noch ausführlichere Darstellung des aktuellen Forschungsstandes gewünscht, überzeugen doch Fakten (wie etwa archäologische Befunde) oft mehr als sich wiederholende, wenn auch treffende Wortargumentation. Besonders gelungen sind daher z.B. die Darstellungen zur „Jahwe-allein-Bewegung“, die Erklärungen zu religiösen jüdischen Festen und Traditionen (wie etwa zum Sabbat) oder zur Entstehung der Glaubensregeln und -vorschriften (siehe Beschneidung) als Umdeutungen für den mit Macht installierten Jahwe-Glauben. Und so ist es für den Verfasser „mehr als ein absurder Gedanke, dass Gott ein Interesse daran haben könnte, die Geschlechtsteile von Kindern als Zeichen eines Bundes mit ihm zu verstümmeln. Welcher wahre Gott könnte so primitiv sein?“ - S. 88 - (Was der Humanist und Atheist Kubitza allerdings unter einem „wahren Gott“ versteht, blieb dem Rezensenten unerschlossen.)
Spätestens wenn der „gelernte Theologe“ H.-W. Kubitza auch näher auf die Rolle der Theologie im Zusammenhang mit dem Alten Testament eingeht, wird er auch generell zum Kritiker an Klerus und Kirche, bringt der Verfasser auch seine persönliche Ablehnung gegen Dogmatik und Kirche überzeugend zum Ausdruck. („Religion verdirbt zwar nicht den Charakter, aber auf jeden Fall die ethischen Wertmaßstäbe“. - S. 105 –)
Besonders wertvoll werden Kubitzas Aussagen also immer dann, wenn er deutliche Bezüge zu aktuellen politischen Sachverhalten herstellt und z.B. die durch biblische Aussagen „untermauerten“ Gebietsansprüche ultraorthodoxer Fanatiker gegenüber den Palästinensern kritisiert. - z.B. S. 21 - „Religiöser Wahn führt damals wie heute“ nicht nur zu „absurden Landansprüchen“ und „widerlichen Gewaltfantasien“ bis hin zu wahren Ausgeburten „primitiven Rachedenkens“ und Auslöschung der gesamten Menschheit - S. 31 -, sondern auch in der Tat und in der heutigen Wirklichkeit zu religiös motivierter Landnahme, Terror und Mordanschlägen.
Im Zentrum des 2. Teils seines Buches - ab S. 181 - nimmt sich Kubitza die Propheten vor. Wie im Falle Jahwes selbst werden nun auch die Mahner und Verkünder als religiöse Extremisten, aber vor allem falsche Deuter und Fanatiker entzaubert. Insbesondere die Messias-Weissagungen, die Christen zu Unrecht als Vorausdeutungen auf die Rolle eines Jesus von Nazareth dienen, geben hier das Bindeglied zwischen Altem und Neuem Testament. Doch die „in Gottesworte gekleidete prophetischen Fantastereien“ – S. 222 – haben sich nicht erfüllt. (Dass der Autor trotz seiner tiefgründigen Analyse letztlich an der Historizität eines „galiläischen Wanderpredigers“ festhält, mag deshalb erstaunen.)
Herausragende Kapitel, wie etwa die Kommentierung des aktuellen Befundes zu Theologie und Glauben in unserer Zeit („Theologische Illusionen“ – S. 230 f -) zeigen wiederum die Stärke des Autors, die aktuelle Situation der Theologie wie der Christen kenntnisreich zu analysieren und einzuschätzen. („Theologie ist ohnehin ein Jonglieren mit Scheinproblemen.“ – S. 266 -)
Es ist zu spüren, dass „Der Glaubenswahn“ als Sachbuch (bewusst?) keiner speziellen dramaturgischen Idee oder einem letztlich zu beweisenden Leitgedanken folgt. Ein gemächlicher Algorithmus und gelegentliche Rekapitulationen sind angesichts der Vielzahl biblischer Zitate auch kaum vermeidbar. Dies mildert aber kaum den positiven Gesamteindruck und Kubitza versteht es durch seine lebhafte Sprache, die akribische Spurensuche spannend zu halten. Und so ist das letzte Drittel des „Glaubenswahns“ einer kritischen Reflektion und Bewertung des Alten Testaments vorbehalten, deren Prüfkriterien die inhaltlich-literarische Qualität, der philosophisch-ethische Gehalt und der (natur-) wissenschaftliche Wert des antiken Textes sind.
Somit ist Kubitzas drittes Buch zum religiösen Wahn weit mehr als nur eine Sammlung von Anklagen an den Kriegsgott Jahwe und die falsche biblische Prophetie. Die gelungene Zusammenstellung und Kommentierung unsäglicher Zeugnisse des religiösen Extremismus im Alten Testament (wie generell) macht Kubitzas Werk überzeugend und aktueller denn je. Überschriften wie „Jahwe als Ausländerfeind“, „Gott vergiftet die sozialen Beziehungen“ oder „Der alttestamentliche Gott und sexuelle Gewalt“ mögen hier nur als Indiz herhalten, um auch diese Seite des Buches zu unterstreichen.
Dem Autor ist es in vorbildlicher Weise gelungen, die vordergründige Kritik an einer uralten Schrift auch ganz allgemein schlüssig mit der Kritik am Monotheismus, an den verhängnisvollen historischen Auswirkungen des Patriarchats, den Irrungen und Wirrungen des Glaubens und Aberglaubens sowie den unsäglichen Gräueltaten von Gewalt und Krieg zu verbinden. Kubitzas aufklärerisches Gesamtanliegen zieht sich daher wie ein Roter Faden durch das Buch, das „die Welt nicht vernünftig machen…“ wird, „aber ein wenig vernünftiger“ vielleicht schon.
Seine 5-Sterne-Bewertung und eine klare Kaufempfehlung hat das Buch daher in mehrfacher Hinsicht verdient!