Seite 1 von 1

„So wahr mir Gott helfe“ ist obsolet

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2021, 17:47
von Atheisius
Schon Bundeskanzler Gerhard Schröder verzichtete 1998 bei seinem Amtseid auf die Formel „So wahr mir Gott helfe“. So will es auch Olaf Scholz halten. Die Premiere seines Amtes aber ist: Er wird der erste Kanzler der Bundesrepublik sein, der keiner Konfession angehört.

Früher war’s eine Selbstverständlichkeit. Heute wird es als eine Option verstanden. Und künftig wird es vielleicht zur folkloristischen Ausnahme gehören – dass bei einer Kanzlervereidigung noch die Worte gesprochen werden: „So wahr mir Gott helfe.“

Dass dieser Schwur zunehmend eine besondere Aufmerksamkeit gewinnt, liegt möglicherweise an seiner zunehmenden Exklusivität. In einem sich rasant säkularisierenden Land ist die Bitte um Gottes Beistand für einen Politiker längst keine Notwendigkeit mehr. Und ein Verzicht auf diesen spirituellen Support ist auch nicht mehr mit einem Imageschaden verbunden. Dass der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz, der keiner Kirche angehört, auf metaphysische Amtsbegleitung verzichten wird, ist zwar eine Erwähnung, aber doch keine Erregung mehr wert. Zumal bereits sein Parteifreund und Vorvorgänger im Kanzleramt, Gerhard Schröder, 1998 zusammen mit anderen Kabinettsmitgliedern die Formel willentlich unerwähnt ließ. Damals löste das eine breite Gesellschaftsdebatte aus; die Gottlosen hätten nun das Ruder übernommen, hieß es. Und der damalige Erfurter Bischof Joachim Wanke gab zu bedenken, dass mit der fehlenden Rückbindung an eine transzendente Instanz auch andere „letzte Überzeugungen“ verloren gingen.

Denn danach soll es in der kommenden Legislaturperiode Reformen beim kirchlichen Arbeitsrecht geben, eine neue Form der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gefunden und vor allem die Ablösung der sogenannten Staatsleistungen für Kirchen schrittweise umgesetzt werden. Etwas mehr als 550 Millionen Euro sind es immerhin, die die Länder bisher beiden christlichen Kirchen jährlich zahlen.

Das Geld gilt noch immer als Entschädigung für die Enteignungen während der Zeit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Über Sinn und Unsinn solcher Zahlungen ist dezent zwar schon früher immer mal wieder öffentlich nachgedacht worden, doch jetzt scheint die „Ablösung“ konkreter zu werden; und für die will man – wie verlautet – einen „fairen Rahmen“ finden.

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... &pc=U531