Was Humanismus heute alles heißen kann

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Christel
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Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

An anderer Stelle verwies ich bereits auf die Debatte zwischen dem Atheisten Joachim Kahl, der einen „weltlichen Humanismus“ vertritt und den Atheisten Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der evolutionär-humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung (gbs).

Im Materialdienst 3/2008 der EZW gibt Reinhard Hempelmann unter der Überschrift „Was Humanismus heute alles heißen kann“ die Kritik von Joachim Kahl am „evolutionären Humanismus“ von Michael Schmidt-Salomon wie folgt wieder:
Er weist darauf hin, dass es sich nicht eigentlich um Humanismus, sondern um „Animalismus“ handele. Schmidt-Salomons Ethik sei eine „Ethik der Beliebigkeit“, sein „aufgeklärter Hedonismus“ greife zu kurz. Er schade „der Sache der Religionskritik und des säkularen Humanismus durch plumpe Zweiteilung der Menschheitsgeschichte – hier religiöser Mumpitz, dort aufgeklärter Wärmestrom –, vorgetragen in einem arroganten und hämischen Ton“. Darin sei er „Nachfahre des deutsch-amerikanischen Anarchisten Johann (John) Most, dessen verbiesterter Religionshass sich bereits im Titel seiner kleinen Schrift Die Gottespest (um 1900)“ angekündigt habe.
https://ezw-berlin.de/html/15_1768.php
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hat der Atheist, Religionskritiker, und weltlicher Humanist Joachim Kahl recht mit seiner Kritik am evolutionären Humanismus von Michael Schmidt-Salomon?

These 1: nicht Humanismus, sondern um „Animalismus“

Dr. Dr. Joachim Kahl erläutert an anderer Stelle:
Dabei ist darauf zu achten, dass die biologische Evolution nicht vulgärdarwinistisch missdeutet und die qualitative Sonderstellung des Menschen im Reich des Lebendigen platt geleugnet wird. Unter dem Vorwand, einer unbestreitbar vorkommenden menschlichen „Überheblichkeit“ Tieren gegenüber „den Wind aus den Segeln“ nehmen zu wollen, sprechen Michael Schmidt-Salomon und Volker Sommer in einer Broschüre der Giordano Bruno Stiftung (gbs) programmatisch von „Bruder Schimpanse“ und „Schwester Bonobo“. Aber dieser fatalen Abdankung des Humanismus zugunsten eines Animalismus gilt es entschieden zu widerstehen.
http://www.kahl-marburg.privat.t-online ... taet_4.pdf
Ich lese bei Michael Schmidt-Salomon “Keine Macht den Doofen“. – 9. Auflage. - München : Pieper, 2014 nach:

Seite 12: „HOMO DEMENS : Warum ich mich schäme, Mensch zu sein“

Seite 13: „Eine weit treffendere Artbezeichnung als Homo sapiens wäre daher Homo demens, der irre, der wahnsinnige Mensch. Denn genau das zeichnet uns vor allen anderen Tieren besonders aus:“

Seite18: „Der vermeintliche Schöpfer des unendlichen Universums soll wirklich nichts Besseres im Sinn gehabt haben, als sich ausgerechnet in Gestalt einer zufällig entstandenen und bald wieder aussterbenden Affenart auf dem Mini-Planeten Erde zu inkarnieren und gekreuzigt zu werden?"

Unten Seite 18: „In dem zwanghaften Bestreben, sich von „dem“ Tier abzugrenzen, scheut sich Homo demens wahrlich keiner Torheit. Dabei sind wir mit vielen Tieren nicht nur im höchsten Maße genetisch verwandt, sondern teilen auch alle grundlegenden Emotionen mit ihnen."

Seite 21: "- ob Sie es nun glauben oder nicht: Der Mensch hat das Potenzial, ein besonders kluges und sanftes Tier zu sein."
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

These 2: Ethik der Beliebigkeit

Aus: Joachim Kahl
Fehlstart : Zur Kritik an Michael Schmidt-Salomons „Manifest des evolutionären Humanismus. Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur“ (2005)
Überarbeitete Fassung meines mündlich vorgetragenen Beitrages
zu dem Fürther Streitgespräch am 27.06.2006:
Diese Ungereimtheiten ergeben sich zwingend aus dem relativistischen Grundirrtum: der expliziten Leugnung von „gut“ und böse“. „Es gibt in der Welt nicht « das Gute» und «das Böse», sondern bloß Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen und Lernerfahrungen.“ (157) Indem MSS sich von der angeblichen „Unart des Moralisierens“ (157) lossagt, führt er einen Enthauptungsschlag gegen den Humanismus jeglicher Spielart. Ohne klares Koordinatensystem von Gut und Böse – und, darin begründet, von Recht und Unrecht – gibt es kein friedliches und freies Zusammenleben von Menschen.
Mehr: http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_mss.pdf

Erinnert sei auch an das Buch von Michael Schmidt-Salomon „Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind“. Dazu existiert ein Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Jenseits_ ... t-Salomon)
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

These 3: „aufgeklärter Hedonismus“ greife zu kurz
Dr. Michael Schmidt-Salomon, Trier
Sinn und Sinnlichkeit:
Die frohe Botschaft des Hedonismus
MIZ 4/2002
http://www.schmidt-salomon.de/sinnlichkeit.htm
Die Kritik daran findet sich in dem bereits oben erwähnten Text von Joachim Kahl „Fehlstart“:
4. „Aufgeklärter Hedonismus“ (26) – als Grundorientierung greift er zu kurz und wird der Härte des Lebens und den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht

Unbestritten ist eine genießerische Haltung dem Leben gegenüber ein wesentlicher Bestandteil eines humanistischen Weltzugangs. Ruhige Heiterkeit bildet eine untrügliche Dimension humanistischer Spiritualität – aber eben nur eine Dimension neben anderen. Als Gesamtorientierung greift „Hedonismus“ zu kurz, und drapiere er sich noch so „aufgeklärt“. Denn alles hat seine Zeit und seinen Ort. Als Gesamtorientierung verkennt „aufgeklärter Hedonismus“ den Lastcharakter der menschlichen Existenz, ihren Sorgecharakter und die Arbeit als ihre Grundlage.
Mehr: http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_mss.pdf
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

These 4: hier religiöser Mumpitz, dort aufgeklärter Wärmestrom –, vorgetragen in einem arroganten und hämischen Ton“.

Ein Blick auf die Beiträge von Atheisius hier im Forum, der sich auf den evolutionären Humanismus beruft, legt das Nahe.
Ein Blick auf die Internetseite https://www.giordano-bruno-stiftung.de/
spricht ebenso dafür.

Ich erwähnte oben bereits unter These 1 das Buch: Michael Schmidt-Salomon “Keine Macht den Doofen“. Dort redet Michael Schmidt-Salomon nicht nur von Homo demens. Aus der Seite 21 schreibt er weiter:
Tatsächlich trägt jeder von uns die Anlage zu beiden in sich, zum hohlköpfigen-wütenden Homo demens wie zum sanftmütig-klugen Homo sapiens.
Es folgt ein weitschweifiger Ausflug ins Reich der Insekten. Auf der Seite 22 schreibt er weiter:
Im übertragenen Sinne können wir also fragen: Was ist das Gelèe Royle, das uns zu Homo sapiens macht? Und wie schützen wir uns vor jenen Hirnwürmern, die uns zu Homo demens degenerieren lassen.
Er dürfte hier wohl die „rechte geistige Speise“ gemeint sein. Das nächste Kapitel Trägt die Überschrift „Die wundersame Welt der Religioten“.

Übrigens auch wenn Religion vor allem im Fokus steht, im Buch von Michael Schmidt-Salomon kommen auch Ökonomioten und Politioten vor.
Im Kapitel über die Politioten (Seite 72) kritisiert er Ursula von der Leyen, weil sie sagte dass „die ersten 19 Artikel unseres Grundgesetzes im Prinzip die Zehn Gebote zusammenfassen“. Er schreibt dazu u.a.:
seit wann bitte, legitimiert das Grundgesetz Religionszwang und Sippenhaft, Sklaverei und die Unterordnung der Frau unter den Mann – allesamt Inhalt der Zehn Gebote.
Gegenfrage, seit wann steht das in den Zehn Geboten?
Ganz wichtig, vor den Zehn Geboten steht der Grund für die Gebote:
„Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
Die Kurzfassung der Zehn Gebote nach dem Katechismus der katholischen Kirche lautet: Ich bin der Herr, dein Gott.
1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.
3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen.
4. Du sollst Vater und Mutter ehren.
5. Du sollst nicht töten.
6. Du sollst nicht ehebrechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.
https://www.katholisch.de/video/12250-w ... ehn-gebote
Joachim Kahl schreibt:
Ein dezenter Hinweis auf den Dekalog als Gründungsdokument der jüdischen Religion und auf das Doppelgebot der Liebe (der Gottes- und der Menschenliebe) im Christentum lassen diese Verbannung der Ethik aus dem „Hoheitsgebiet“ der Religion als pure Willkür erkennen. MSS schneidet sich ein primitives Feindbild zurecht, das ihm rhetorische Pyrrhussiege beschert. Sein Vorgehen schlägt der von ihm mehrfach angemahnten intellektuellen Redlichkeit ins Gesicht. Wer Andersdenkende so unfair behandelt, diskreditiert sich selbst und wirft ein schiefes Licht auf alles Übrige, was er ausführt, so richtig es sonst sein mag.
Mehr dazu: http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_mss.pdf

Joachim Kahl:
MSS schadet der Sache der Religionskritik und des säkularen Humanismus durch die plumpe Zweiteilung der Menschheitsgeschichte – hier religiöser Mumpitz, dort aufgeklärter Wärmestrom –, vorgetragen in einem arroganten und hämischen Ton. Darin ist er ein Nachfahre des deutsch-amerikanischen Anarchisten Johann (John) Most, dessen verbiesterter Religionshass sich bereits im Titel seiner kleinen Schrift „Die Gottespest“ (um 1900) ankündigt.
http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_mss.pdf
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

Liebe Kundinnen und Kunden,
denkladen.de bemüht sich für die Bereiche Religionskritik, Naturwissenschaft und Philosophie aus der Vielzahl der Neuerscheinungen die für säkulare Leserinnen & Leser interessanten aufzuspüren und aussagekräftig zu besprechen. Insofern versuchen wir mehr zu sein als nur ein Shop, nämlich ein Baustein einer spezifisch säkularen Kommunikationskultur. https://www.denkladen.de/
Das Buch, auf das ich aufmerksam machen will, gibt es natürlich auch woanders, aber eben auch hier:
Andreas Fincke
Mit Gott fertig?

Konfessionslosigkeit, Atheismus und säkularer Humanismus in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme aus kirchennaher Sicht


Alibri, 2017
147 Seiten, Abbildungen, kartoniert, Euro 16.-
Best.Nr. 692 818

Eine Studie über die säkulare Szene, die aus dieser selbst heraus entstanden wäre, gibt es bislang nicht. Nun hat sich mit Andreas Fincke ein Pfarrer dieser Aufgabe angenommen, eine „Bestandsaufnahme aus kirchennaher Sicht“ vorgelegt und diese im nicht sonderlich kirchennahen Alibri Verlag veröffentlicht. Auch wenn nicht jede Einschätzung Zustimmung finden muss: Fincke kennt seinen Untersuchungsgegenstand. Er beobachtet die humanistischen und atheistischen Verbände seit langem, und wer sich schon immer mal einen etwas eingehenderen Überblick über die vielfältige säkulare Szene verschaffen wollte, kann das Buch mit Gewinn lesen. https://www.denkladen.de/product_info.p ... ts_id=2548
Es dürfte daher unabhängig von der Weltanschauung, ob religiös oder nicht für jeden an den Themen interessierten mit Gewinn zu lesen sein.

Unter anderem schreibt Andreas Fincke auch über die Giordano-Bruno-Stiftung.
Da die Kritik am Schöpfungsglauben in diesem Forum seit langen ein Thema ist, möchte ich folgende Passage aus dem Text wiedergeben, Seite 96 f.:
Völlig zu Recht kritisiert die gbs am Kreationismus, dass dieser sich wissenschaftlich tarnt, aber eigentlich eine Weltanschauung ist. Das ist richtig, trifft aber umgekehrt auch auf die gbs zu: Auch ihre materialistische Sicht, ihr naturalistisches Denken beansprucht zwar wissenschaftlich fundiert zu sein, ist aber letztlich nicht mehr falsifizierbar. Von der gbs und den neuen Atheismus wird die Evolutionstheorie zur „Supertheorie“ erklärt, die alles, auch die kulturelle Evolution und damit das Entstehen der Religionen und eine materialistische Ethik erklären könnte.
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

PS, mehr zum Buch:
Mit Gott fertig?
Konfessionslosigkeit, Atheismus und säkularer Humanismus in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme aus kirchennaher Sicht (Humanismusperspektiven 3)

Ein Buch eines evangelischen Pfarrers in dem atheistischen Verlag Deutschlands? In der Tat eine ungewöhnliche Konstellation. Doch dass sich kein kirchlicher Verlag fand, mag eine zentrale These der Publikation unterstreichen: Es mangele kirchlicherseits an Auseinandersetzung und Dialog mit dem säkularen Spektrum. „Die Kirchen sollten dieser Szene mehr Beachtung schenken, da sie sich in den letzten Jahren erstaunlich geschickt aufgestellt hat und gute Lobby-Arbeit betreibt. Die Organisationen vertreten zudem Positionen, die in der Gesellschaft wesentlich größeren Rückhalt finden, als die kargen Mitgliederzahlen vermuten lassen“ (21).

Weiter lesen: https://www.euangel.de/ausgabe-1-2018/r ... tt-fertig/
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

Soweit ich das Konzept des „evolutionären Humanismus“ verstanden habe, geht man davon aus, dass die Welt sich von selbst evolutionär entwickelt, vom niederen zum höheren, eine Art Automatismus. Es ist ein Glaube an einen Fortschritt, der sich physikalisch, biologisch und kulturell vollzieht.

Ausgehend von der biologischen Evolution, die über genetische Veränderungen zu einer höher Entwicklung bzw. zu immer komplizierteren Organismen führte, wird der Menschen als ein Tier angesehen, welches sich nur graduell von anderen Tieren unterscheidet. Dies zu betonen führt, so meint man, zu einer größeren Verbundenheit mit der Natur und den Tieren. - Ob das stimmt? Tiere fressen Tiere und gehen keineswegs zimperlich mit einander um. Das wusste schon Charles Darwin.

Dieses Konzept überträgt man auch auf die kulturelle Entwicklung der Menschheit. Es ist zwar klar, dass der Mensch seit tausenden von Jahren genetisch unverändert ist, aber man verweist, auf Fortschritte in Wissenschaft, Technik, Kunst und Kultur, wobei die Säkularisierung dem Fortschritt zugerechnet wird.

Den „evolutionärer Humanismus“ begreift man als fortschrittliches, sich selbst immer weiterentwickelndes, sich somit selbst verbesserndes ethisches Konzept, welches zur „Leitkultur“ werden soll.

Doch, so ganz von allein, ohne Nachhilfe scheint dies dann doch nicht zu gehen. In seinem Buch „Keine Macht den Doofen“ unterscheidet Michael Schmidt Salomon zwischen dem „Homo demens“ und dem „Homo sapiens“. Nach seinen Worten dürfte wohl die richtige „geistige Speise“ entscheidend sein, in welche Richtung sich ein Mensch entwickelt. Ich zitierte ihn bereits:
Christel hat geschrieben: Sonntag 13. März 2022, 23:37
Im übertragenen Sinne können wir also fragen: Was ist das Gelèe Royle, das uns zu Homo sapiens macht? Und wie schützen wir uns vor jenen Hirnwürmern, die uns zu Homo demens degenerieren lassen.
So ist es nicht verwunderlich, wenn religiöse Bildung von Kindern als „frühkindliche, religiöser Indoktrination“ gebrandmarkt wird, man selbst aber mit der Verabreichung des eigenen „Gelèe Royle“ nicht früh genug beginnen kann, siehe https://evokids.de/

Es wird zwar gesagt, dass man selbst keine Heilslehre vertrete und doch wird das Heil in der Säkularisierung gesehen, in „religionsfreien Zonen“, einer „religionsfreien Welt“, in einer Welt ohne Gott, weil der ja die individuelle Freiheit behindert. Man sieht das Heil in Rationalismus und Atheismus.

Ausgehend von der biologischen Evolution, die über genetische Veränderungen zu einer höher Entwicklung bzw. zu immer komplizierteren Organismen führte, wird angenommen, und das, obwohl der Mensch seit tausenden von Jahren genetisch unverändert ist, also allein aufgrund des wissenschaftlich-technischen und künstlerischen Fortschritts wird angenommen, dass sich die Menschheit hin zu einer besseren Ethik (evolutionärer Humanismus) hin entwickelt.

Statt Gott Vater, Charles Darwin und Evolution, "Evolutionstag statt Christi Himmelfahrt!" - Die Ausrichtung hält sich stramm am Neuen Atheismus.

Es wird zwar individueller Freiheit, Humanismus und, und, und…. geschwärmt…, doch steht dies im Kontrast zu Selbstaufwertung bei gleichzeitiger Abwertung Andersdenkender, die einen „Hirnwurm“ haben, von „Wahn“ befallen, *Idioten sind.

Neue bessere Menschen, eine höhere Ethik, kann ich hierin nicht erkennen. Ich sehe nur den alten Menschen.

Und fast wehmütig denke ich an den alten Atheismus zu DDR-Zeiten zurück. Damals galt meine Weltanschauung als veraltet, ich konnte halt mit den Fortschrittlichen nicht mithalten. Aber niemand hat mich des Wahns, einer *Idiotie oder eines „Hirnwurms“ bezichtigt. – Sorry, ich nehme es persönlich und das ist richtig so, denn solche Aussagen meinen Personen, meinen Menschen.
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

Das passt inhaltlich zum Thema. „Was Humanismus heute alles heißen kann“
Als "sozialistische Humanisten" bezeichnet Harari nicht Autoren wie Ernst Bloch oder Erich Fromm, die sich selbst als "sozialistische Humanisten" verstanden haben, sondern kommunistische Diktatoren wie Josef Stalin, die den Begriff "Humanismus" nur als Schimpfwort gebrauchten und "Humanisten", die sich auf die Frühschriften von Marx beriefen, als Vertreter eines "bürgerlichen Revisionismus", das heißt: als Hochverräter an der parteikommunistischen Doktrin, verfolgten.

Als sei all dies nicht schon absonderlich genug, schießt Harari mit seiner Charakterisierung des "evolutionären Humanismus" dann endgültig den Vogel ab: Denn der Autor lässt uns sowohl in "Eine kurze Geschichte der Menschheit" (S. 281) als auch in "Homo deus" (S. 337) wissen, dass der evolutionäre Humanismus eine "Sekte" ist, "dessen bekannteste Vertreter die Nationalsozialisten waren". Ja, Sie haben richtig gelesen: Für Yuval Noah Harari war Adolf Hitler nicht nur Diktator, Nationalist, Rassist und Massenmörder, sondern in Personalunion auch noch einer der führenden Vertreter des evolutionären Humanismus!
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/ ... verwirrung
Aus:
Der israelische Historiker Yuval Noah Harari hat mit seinen Büchern "Eine kurze Geschichte der Menschheit" und "Homo deus" internationale Bestseller vorgelegt. Tragischerweise sind ihm in der Analyse haarsträubende Fehler unterlaufen, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Ein Kommentar von Michael Schmidt-Salomon.
Ich habe das so nicht mehr in Erinnerung!
Jedoch teile ich mit Michael Schmidt-Salomon das „Unbehagen“ über die Bücher. Die wurden so hoch gelobt, dass man daran nicht vorbei kam. Bei so viel Lob war es beinahe unmöglich Kritik zu äußern, jedenfalls bekam man dann sofort Gegenwind. Doch nachdem ich in den Büchern gelesen und mir „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ als Hörbuch angehört hatte, konnte ich die Bücher nicht empfehlen.
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Re: Was Humanismus heute alles heißen kann

Ungelesener Beitrag von Christel »

Meine Enttäuschung über die Werke von Yuval Noah Harari rührt nicht zuletzt von der hohen Erwartungshaltung, aufgrund der Werbung, her.
Eigentlich ist es klar, dass so umfangreiche Themen immer schwierig sind kompakt darzustellen und die Sichtweise einer Person, die die Dinge interpretiert, wird schwerlich von allen geteilt.

Ich kann verstehen, dass Michael Schmidt-Salomon sich in dieser Deutung des „evolutionären Humanismus“ nicht wiederfindet. Aber so ist das nun mal, zwischen Selbstwahrnehmung /Selbstdefinition und Fremdwahrnehmung/Fremddefinition.

Welches ist die richtige Definition? Gibt es die überhaupt? Vielleicht kann man die Dinge tatsächlich von unterschiedlichen Seiten her zu betrachten?

Ein solches Problem besteht auch bei dem wie Michael Schmidt-Salomon das Christentum definiert. Auch dies steht in Diskrepanz zur Selbstdefinition des Christentums, zum Selbstverständnis der Christen.

Möglicherweise hat Michael Schmidt-Salomon aus werbetechnischen Erwägungen, um sich Gehör zu verschaffen eine derbe Sprache gewählt, möglicherweise meint er das nicht so und ist selbst sehr viel toleranter als das herüber kommt. Dass er damit provoziert stört ihn nicht, denn er weiß, so kann er seine Botschaft effektiv rüberbringen.

Allerdings, nicht was er selbst bezweckt ist das, was ankommt, sondern was andere daraus schließen. Fremdwahrnehmung! Und das führt zumindest bei einigen, die ihn hören oder lesen nicht zu Toleranz, nicht zu Humanismus, nicht zu Respekt und Menschlichkeit!

Es kann nicht sein, dass Menschen nur weil sie Christen sind, des Wahns... bezichtigt... sich hinten anstellen müssen...
und nur dann, wenn sie sich zum Atheismus bekehren als Menschen respektvoll... behandelt werden.
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