Von Hostien Mäusen und Bazillen - Glaube und Rationalität im Mittelalter

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Atheisius
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Von Hostien Mäusen und Bazillen - Glaube und Rationalität im Mittelalter

Ungelesener Beitrag von Atheisius »

Eine Ausarbeitung von Olaf. B. Rader

https://edoc.bbaw.de/frontdoor/index/in ... docId/1180

Im 13. Jahrhundert spitzte die Geistlichkeit in Europa ein kompliziertes Glaubensproblem mit weit reichenden theologischen Konsequenzen zu.

Anknüpfend an den urchristlichen Glauben von der Präsenz Jesu im Abendmahl, lehrte sie, dass nach der Konsekration durch Verwandlung von Brot und Wein tatsächlich der ganze Christus mit Fleisch und Blut in den Hostien enthalten sei. Die geweihte Hostie wurde als wirklicher Leib Christi und damit als Trägerin des sündentilgenden, göttlichen Blutes aufgefasst. Wenn aber die Hostien wahrhaft das Fleisch waren, mussten sie – so erscheint es nur zu logisch – bei Verletzungen auch bluten. Und das taten sie dann auch reichlich.
Man fand Blut nach Kirchbränden und anderen Zerstörungen, sah jüdische Messer und die Zweifel frommer Christen am Werk: Immer wieder „entdeckte“ man blutgezeichnete Hostien. Sie waren sehr sensibel gegenüber äußeren und inneren Beschädigungen und bluteten in ganz Europa.

Im spanischen Daroca leuchteten die Blutzeichen 1239 als Siegesfanal im Kampf gegen die Mauren. In Bolsena in Oberitalien gaben sie 1263 Anlass, die Einführung des Fronleichnamfestes zu beschleunigen; Raffael hat später die Szene in einem Wandgemälde festgehalten. Überall auf dem alten Kontinent bildeten sich Kultorte heraus, weil die blutenden Hostien Verehrungsobjekte wurden und man nun begann, Wallfahrten zu ihnen zu organisieren.

Wallfahrt, oder besser Pilgerschaft, ist unlösbar mit dem gläubigen Menschen verbunden. Als wichtigste Wallfahrtsziele der Christenheit gelten Orte, an denen eine besondere Materia haftet: die Gräber des Herrn und der Heiligen. Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela standen und stehen ganz oben auf der Liste der ersehnten Gnadenplätze. Aber eben nicht nur die Gräber der Heiligen und Apostel entwickelten sich zu Pilgermagneten, sondern auch die vielen Orte, die etwas anderes Besonderes vorweisen konnten: das Blut des Herrn.

Christi Blut trat im Hochmittelalter gleichsam zu den Heiligengebeinen in Konkurrenz. Rotschimmernde Monstranzen verdunkelten zunehmend die ohnehin verschatteten Gräber. Allein im deutschsprachigen Raum kann man 63 Orte solcher Wunderhostienverehrung lokalisieren. Rechnet man die Plätze von anderen Blutverwandlungswundern, die zum Beispiel blutige Kelche, Altartücher und Korporale zu bieten haben, hinzu, und bezieht man die Orte mit angeblich echtem, also nicht erst verwandeltem Blut Christi mit ein, das oft von Pilgern aus dem Heiligen Land nach Europa gebracht worden sein soll, dann kommt man auf die stattliche Zahl von 136 verehrten rot verfärbten Kultobjekten in Kirchen und Kapellen allein im deutschsprachigen Raum.

Die Denker der Scholastik fragten: Wie kann man dieses Phänomen rational fassen und logisch durchdringen? Wie ließ sich die Verwandlung der Hostie in den Leib Christi mit wissenschaftlichen Theorien oder zumindest empirisch ermittelten Daten in Einklang bringen?
Grundlage der Vorstellung, dass beim Abendmahl der wirkliche Christus in Gestalt der Hostien und des Weines verzehrt werden, war die Überlieferung des Evangelisten Johannes, nach der der Herr gesagt habe ( Johannes 6, 56): »Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank«.
Theologisch und philosophisch argumentierende Kirchenmänner nahmen diesen Satz im Hochmittelalter zunehmend wörtlich. Dieser eucharistische Realismus verweist auf eine Neigung der abendländischen Theologen zum dinglich Konkreten, das Phänomen der Anwesenheit Christi in der Messe - bei gleichzeitiger Abwesenheit wird ganz gegenständlich und handgreiflich gedacht. Diese real-dingliche Vorstellung war zugleich eine philosophische Herausforderung. Die scholastischen Philosophen zogen aus den blutenden Hostien die philosophischen Konsequenzen.

Ursprünglich verhielt es sich mit dem Fleisch anders, denn in den jüdischen Opferritualen war mit „mein Fleisch“ das des Opfertieres gemeint. Man bot die Gabe Gott zum Dank an und sprach: »Das ist mein Fleisch – das ist mein Blut«. Die christliche Neuerung bestand anfangs in der Reduktion des Opferrituals auf einen unblutigen Teil. Brot trat anstelle des Fleisches. Man aß es, und man trank Wein anstelle des früheren blutigen Libationsrituals am Altar. Erst später verwandelte sich das verkürzte traditionelle Opferritual in ein Abendmahl, das Jesu Leib nun selbst zur Quelle des eucharistischen, verehrten Fleisches und Blutes machte.

Einen wichtigen Anstoß hatte der Verwandlungsgedanke im 9. Jahrhundert durch den Mönch Paschasius Radpertus († 859) mit seiner 831 bis 833 verfassten Abhandlung Über den Leib und das Blut unseres Herrn erhalten. Zum ersten Mal war ein ganzes Buch darüber geschrieben worden, gedacht zur Unterweisung der im noch wilden heidnischen Sachsen missionierenden Mönche aus dem erst kurz zuvor gegründeten Kloster Korvey an der Weser. Die Schrift war in den folgenden Jahrhunderten weit verbreitet. Radpertus formulierte, dass in dem Augenblick, wenn der Priester die Worte spricht: »Das ist mein Leib – das ist mein Blut«, sich das Brot – also die Hostie – sowie der Wein in Fleisch und Blut Christi verwandeln. Doch ihn plagten zugleich Zweifel. Denn der göttlichen Ordnung könne doch unmöglich geziemen, Christus mit den Zähnen zu zerbeißen und gierig zu verschlingen.

Im 11. Jahrhundert brach der Leiter der Domschule in Tours, Berengar († 1088), einen Streit darüber vom Zaun, ob sich wirklich das Brot in ein Stück blutigen Fleisches verwandeln würde, denn eigentlich könne das nur Abfall von den Kirchenvätern bedeuten.
Doch das 4. Laterankonzil ließ 1215 in der Abendmahlslehre keinen Zweifel daran, dass Christi Fleisch und Blut wahrhaftig – »veraciter« – im Brot und Wein enthalten seien.

Der Dominikaner Thomas von Aquin (1225–1274) leistete den wohl gewichtigsten theologischen Beitrag zur argumentativen Durchdringung der neuen Eucharistielehre. Denn für alle, die an der Messe teilnahmen, war ein Paradoxon stets deutlich wahrnehmbar:
Brot und Wein sollten zwar nach der Konsekration verwandelt sein, blieben aber offensichtlich nach Aussehen und Geschmack unverändert. Thomas von Aquin führte – konsequenter als frühere Lehrer – einige von Aristoteles entlehnte philosophische Kategorien zur Lösung des Paradoxons ein.

Aristoteles geht davon aus, dass dem Sein wie dem Denken bestimmte elementare Strukturen eigen sind (Wesen, Qualität, Quantität, Ort, Zeit usw.), er hat auch zwischen den wesentlichen Merkmalen einer Sache und den ›hinzukommenden‹ unterschieden. Schon in seiner Kategorienlehre, deutlicher aber noch in seiner Metaphysik differenzierte er zwischen Ousia, lateinisch Substantia, und Akzidenzien, den hinzutretenden Dingen.
Nach Aristoteles umgreifen die Substanzen unterschiedlicher Qualität den inneren Wesenskern einer Sache, während die Akzidenzien eher äußere Merkmale, das Sicht- und Greifbare, Form, Größe, Geschmack etc., bezeichnen. Was wir mit unseren Sinnesorganen lediglich wahrzunehmen vermögen, sind eben nur die Akzidenzien, nicht aber das Wesen.

Auch Thomas war der Meinung, dass die Sinne nicht das Wesen beurteilen können, sondern nur die sinnlichen Formen. Diese Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidenzien nutzten die Theologen, um die Verwandlung des Brotes in das Fleisch rational zu erklären. Sie argumentierten nun, dass sich in der Eucharistie die akzidentielle Erscheinung der Hostie nicht ändere, ihr unsichtbares Wesen, ihre ›Substanz‹ sich aber wandelt durch die Worte, die der Priester spricht. Die Hostie bleibt also für den Gaumen pappiges Brot, obwohl die Substanz grundlegend verwandelt wurde.
Brot und Wein sind nicht Brot und Wein, sie unterliegen einer Wesensverwandlung. Die ganze Substanz des Brotes wird in die ganze Substanz des Leibes Christi und die ganze Substanz des Weines in die ganze Substanz des Blutes Christi verwandelt. Diese Verwandlung ist nicht eine der Form, sondern der Substanz. »Da aber in diesem Sakrament die ganze Substanz in eine [andere] ganze Substanz umgewandelt wird, deshalb wird diese Verwandlung im eigentlichen Sinne Substanzverwandlung genannt«, stellte Thomas von Aquin noch einmal klar.

Der zuerst vom Pariser Magister Robertus Pullus um das Jahr 1140 eingeführte Begriff wurde die Basis für jenes Wortungeheuer, das die neue eucharistische Vorstellung umreißt: die Transsubstantiationslehre. Die Sache blieb in ihren logischen Konsequenzen ziemlich verzwickt.

Aristoteles, der Philosoph‹, hatte doch angeblich gesagt: »Eine Eigenschaft hat nicht wieder eine Eigenschaft.« Im Sakrament könnten die Eigenschaften von Brot und Wein eigentlich nicht zurückbleiben. Warum aber bleiben sie? »Das geschieht begründeterweise« – so denkt Thomas den Ausweg – »durch die göttliche Vorsehung: denn erstens ist es für die Menschen nicht üblich, sondern schauererregend – horribile – das Fleisch eines Menschen zu essen und sein Blut zu trinken. Deshalb wird uns das Fleisch und Blut Christi zum Genuß geboten unter den Gestalten der Dinge, die am häufigsten dem menschlichen Bedarfe dienen, nämlich denen von Brot und Wein«. Und »zweitens, damit dieses Sakrament nicht von den Ungläubigen geschmäht werde, wenn wir unsern Herrn in seiner eigenen Gestalt zu uns nähmen«.

Thomas beschäftigt auch die Frage, ob denn der ganze Christus in der Hostie enthalten sein könne. Fleisch und Blut auf jeden Fall, aber die Nerven und Knochen seien nicht mit dabei. Auch die Größenunterschiede machten ihm zu schaffen: »Ein Körper von größerer Ausdehnung kann nicht ganz unter einer geringer bemessenen Ausdehnung enthalten sein. Das Maß des konsekrierten Brotes und Weines ist nun viel geringer als das dem Leibe Christi eigene Maß. Also kann nicht der ganze Christus unter diesem Sakrament sein.«

Über den Urheber war sich Thomas sicher, denn nur einer vermag dieses Verwandlungswunder zu vollbringen: Gott selbst. Die Verwandlung im Sakrament hat mit den natürlichen Verwandlungen keine Ähnlichkeit, sondern ist gänzlich übernatürlich und von Gottes Kraft allein bewirkt. Doch wenn er wolle, spekulierte er, könne Gott das Brot ja auch in die Substanz eines Steinbrockens verwandeln. Die Fähigkeit Gottes, das Wesen der Dinge zu verwandeln, ohne dass der Mensch, der ja nur die Akzidenzien wahrzunehmen imstande ist, das merkt, führte zwangsläufig zu einer viel weiter greifenden Spekulation: Hat Gott die Welt durch Transsubstantiation inzwischen in eine völlig andere verwandelt als jene, die er vor Zeiten schuf und die sich unseren Augen, Ohren und Händen darbietet?

Thomas und andere Scholastiker erschraken vor den Konsequenzen dieser ›rationalen‹ Erklärung und erläuterten, dass die Substanzverwandlung ausschließlich auf das Wunder der Eucharistie beschränkt bleibe. Die Welt sollte besser in einer stabilen Ordnung ruhen, wie sie Gott bei der Schöpfung festgelegt hat. Und noch weitere Folgerungen ergaben sich aus der Logik der Eucharistie. Was passiert nämlich, wenn sich ein unbefugtes Gottesgeschöpf dem Leib Christi verinnerlicht?

Was frisst die Maus, wenn sie die zwar schon konsekrierte, aber noch nicht an die Gemeinde ausgegebene Hostie annagt? Petrus Abaelard (1079–1142) beantwortete die Frage »quid sumit mus« aus weichend. Das könne nur Gott wissen. Andere meinten, bevor die Nagezähnchen die Hostie
zerkrümelten, würde eine Rückverwandlung, eine Art Negativkonsekration, die ursprüngliche Brotsubstanz wiederherstellen. Thomas von Aquin hingegen war sich in seiner Summa Theologiae sicher, auch Mäuse würden den Leib des Herrn verzehren: »Auch wenn eine Maus
oder ein Hund eine geweihte Hostie frißt, hört die Substanz des Leibes Christi nicht auf, unter den Gestalten zu sein«.


Hegel spottete 1826 in einer Vorlesung, dass ein Katholik eigentlich die Maus verehren müsse, die eine konsekrierte Hostie zwischen den Zähnchen hatte, was einen pikierten Zuhörer zu einer Regierungsbeschwerde über den Professor veranlasste.

Ebenso brennend erschien das Problem, was denn Jesus selbst bei der ersten Abendmahlsfeier zu sich genommen habe. Alexander von Hales († 1245) meinte, Christus habe schon damals seinen verklärten Leib gegessen. Bonaventura (1221–1274) und mit ihm Thomas von Aquin zweifelten. Aber noch unklarer schien: Was geschieht denn eigentlich mit dem Leib und Blut Christi im menschlichen Verdauungstrakt, und können sie diesen überhaupt überstehen?

Das aufklärerische Lästermaul Voltaire (1694–1778) hatte in seinen blasphemischen Bemerkungen gehöhnt, dass Priester und Mönche »ihren Götzen essen und trinken, um ihn wieder auszuscheißen und auszupissen«.

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Theologisch wurde die Dauer des sakramentalen Augenblicks, also der Zeitspanne zwischen dem Verzehr und jenem Moment, solange Brot noch als Brot, somit als Leib Christi, gelten könne, unterschiedlich bemessen. Um 1700, als über die Funktionen des menschlichen Körpers mehr Erfahrungen vorlagen, meinte man, dass sich das Brot bereits nach einer Minute auflösen würde. Im 20. Jahrhundert war der sakramentale Augenblick schon auf acht bis zehn Minuten angewachsen. Der Wunsch nach rationaler Durchdringung der Welten- oder Gottesrätsel setzte in der scholastischen Philosophie große intellektuelle Energien frei. In vielen Anläufen mühte man sich, allen voran der später heilig gesprochene Thomas, Glaubensfragen streng logisch zu zergliedern und zu beantworten.

Doch waren sie wirklich beantwortet? Eigentlich waren die Denker dem Geheimnis der Eucharistie nur scheinbar näher gekommen.

Im 19. Jahrhundert fand man dank verbesserter Mikroskoptechnologien heraus, warum an einigen der Wunderorte tatsächlich zeitweise rot verfärbte Brotpartikel vorweisbar gewesen sein konnten. Ein Bakterium war dafür verantwortlich. Man gab ihm in der Fachwelt den Namen Micrococcus prodigiosus, weil es auf geeignetem Nährboden, wie etwa feuchtem Brot, schleimige, blutrote Flecken erzeugen kann.

Auf einigen der Hostien war also tatsächlich etwas zu sehen gewesen, das nicht von Menschenhand rührte. Von den rationalen Erklärungsmustern der Bluthostien stellen die Wunderbakterien aber nur eine Variante dar. Schon im Spätmittelalter regten sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Reihe der
Wunderblutorte, weil Fälschungen von Blutwundern Mitte des 15. Jahrhunderts überhand nahmen.

Dem Magdeburger Domherrn Heinrich Toke († 1454), ein höchst energischer Feind des Aberglaubens, gelang es 1429, einen Betrüger zu entlarven. In der Nähe von Wittenberg gestand ein Ortspfarrer, sich selbst in den Finger geschnitten und mit dem Blut eine Hostie gefärbt zu haben. Mit dem bitteren Humor des Ertappten kommentierte er sein Tun: »Bocksblut hält lange!«

Heute hätte man es als Fälscher einfacher. Im Internet kann man sich Experimentieranleitungen herunterladen, wie dunkelrote Flüssigkeiten oder sogar thixotrope Gelmischungen, das heißt Substanzen, die sich durch Schütteln verflüssigen, in der heimischen Küche hergestellt werden können. In Thomas von Aquin und den anderen scholastischen Denkern hätte diese Möglichkeit sicher unfassbares Grauen ausgelöst: Das Wunderblut von Neapel für jedermann zum Selberbasteln?

Den Mäusen und Bazillen hingegen würde dies wohl nicht den Appetit verderben.


Blutende Hostien und Fronleichnam

https://mikrobenzirkus.com/2016/05/29/b ... rcescens/

Was hat Fronleichnam eigentlich mit Mikrobiologie zu tun …? Dazu müssen wir zurückreisen ins tiefste und blutige Mittelalter…in einem Mikrobenzirkus-

Gastbeitrag von Dr. rer. nat. Olaf Kaup (Mikrobiologe).

Im Jahre 1264 ereignete sich ein bemerkenswertes „Blutwunder“ in der Kirche der heiligen Christina in Bolsena (Italien): Der böhmische Mönch, Peter von Prag, bereitete, wie gewohnt, Hostien für das Abendmahl vor. Er gehörte zu denjenigen, die bis dato an der „Transsubstantation“ zweifelten, welche erst 1215 als Dogma in der Kirche eingeführt worden war. Dieses Dogma der Transsubstantation besagt, dass die geweihte Hostie, die beim Abendmahl gereicht wird, der tatsächliche Leib Jesus Christus ist (und nicht nur, wie vorher, ein Symbol dessen).

Dieser zweifelnde Mönch entdeckte nun blutrote Verfärbungen auf den Hostien. Die Deutung in der damaligen Zeit war klar: Die Hostien haben angefangen zu bluten, um ihm, dem zweifelnden Mönch – und allen anderen – zu zeigen, dass alle Zweifel falsch sind. Sind die Hostien geweiht für das Abendmahl, sind sie keine gewöhnlichen Oblaten mehr, sondern zweifelsohne der wahrhaftige Leib Jesus Christi.

Zufälliger Weise verweilte Papst Urban IV. zur gleichen Zeit nur wenige Kilometer entfernt auf seinem Sommersitz. Er hörte von diesem „Blutwunder“ und war selbst davon so beeindruckt, dass er festlegte, von nun an sei das Festum Corporis Christi am Donnerstag nach Trinitatis zu halten, welches wir heute als den Feiertag Fronleichnam in den überwiegend katholischen Regionen kennen.

Aus heutiger Sicht weiß man, dass es einen Erreger gibt, welcher auf kohlenhydrathaltigen Nährböden einen markanten, leuchtend roten Farbstoff bildet. Dabei handelt es sich um Serratia marcescens, ein gramnegativen Stäbchenbakterium, welches zur Familie der Enterobacteriaceae gehört.

Aus modernen, wissenschaftlichen Betrachtungen geht man heute rückblickend davon aus, dass viele historische Schilderungen über blutrote Verfärbungen auf Brot, Polenta und vor allem geweihten Hostien diesem Erreger zuzuschreiben sind.

Im Mittelalter wurden leider auch viele Menschen aufgrund von Fehldeutungen von Hostienerscheinungen ermordet. Dabei handelte es sich vor allem um jüdische Pfandleiher, bei denen zu damaliger Zeit Hostien als Pfand hinterlegt wurden. Wurden diese später wieder ausgelöst und zeigten sich danach blutrote Verfärbungen, war aus damaliger Sicht die Deutung klar: Der jüdische Pfandleiher hatte den Leib Jesus Christi mit einem heißen Messer gemartert, so dass dieser anfing zu bluten. Folglich landete der Pfandleiher (und oftmals auch viele weitere Juden aus seiner Umgebung) auf dem Scheiterhaufen. So geschehen z.B. 1492 in Sternberg (Mecklenburg), wenig später wird dort die Hlg. Blutkapelle errichtet.

Im Mittelalter entwickelte sich ein wahrer „Hostienboom“. Zu den Orten, wie Sternberg oder auch Wilsnack (Brandenburg), wo nach einem Kirchenbrand in den Trümmern des massiven Altars „blutende Hostien“ gefunden wurden, entwickelten sich große Wallfahrten. Dort zeigten sich fortan seltsame Wunderheilungen, die mit der Anbetung der blutenden Hostien in Verbindung gebracht wurden – Lahme konnten wieder laufen oder Totgeglaubte wurden geheilt. Die Kirche verdiente durch einen regen Ablasshandel sehr gut daran mit.

Erst 1517, durch Martin Luther, endete dieser „Teufelsspuk“ (Zitat Luther) – zumindest dort, wo sich die Reformation durchsetzte. Die wissenschaftliche Aufklärung begann dann im Jahre 1819: In der Nähe von Padua in Italien zeigten sich wieder blutrote Verfärbungen, diesmal auf Polenta. Durch wissenschaftlich-analytisches Vorgehen konnte in diesem Fall aber sehr schnell eine „göttliche Mahnung“ ausgeschlossen werden.
Der Erreger Serratia marcescens wurde isoliert, die Übertragbarkeit durch die Hände demonstriert und u.a. wurde die Alkohollöslichkeit der roten Farbstoffs Prodigiosin gezeigt.

Der ursprüngliche Name des Erregers Bacterium prodigiosum und die Bezeichnung des von ihm gebildeten Farbstoffs Prodigiosin gehen auf den Zusammenhang mit diesen scheinbaren Blutwundern in Bolsena zurück: lateinisch prodigium, „Wunderzeichen“. Damit verknüpft wurden auch bereits die ersten rückblickenden, wissenschaftlichen Betrachtungen zu „blutenden Hostienerscheinungen“ im Mittelalter angestellt.

Der Unsinn von den blutenden Hostien wird noch heute ernsthaft geglaubt. Hier habe ich ein Beispiel aus den USA aufgezeichnet:

https://www.domradio.de/artikel/us-bist ... nde-hostie

Da kann man den Kommuniongängern nur guten Appetit wünschen
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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