Fredi Kummer hatte Angst den „Herrn“ zu zerbeißen

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Atheisius
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Fredi Kummer hatte Angst den „Herrn“ zu zerbeißen

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«Angst, den Herrn zu zerbeißen»

Darf ein Vegetarier die heilige Kommunion empfangen? Ein kurioser Briefwechsel mit einem Bischofssekretär und der einleuchtende Rat eines Kantonschemikers.

Überlieferungen besagen, dass die Mönche der Gascogne eine Maus, die eine Hostie gefressen hatte, für heilig hielten.

«Wie heilig aber halten Vegetarier diese Überzeugung, wenn sie bei der Kommunion das Fleisch und Blut Christi verspeisen, also wahres Menschen- und Gottesfleisch zugleich?», schrieb einmal provozierend der Bamberger Kirchenkritiker Karlheinz Deschner.

Diese Frage beschäftigte auch den Basler René Schweizer. Als Kind war ihm einst die Hostie am Gaumen kleben geblieben, und er hatte «schreckliche Angst, den Herrn zu zerbeißen». Die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi blieb für ihn eine traumatische Erinnerung. Sie holte ihn, inzwischen 39 Jahre alt und Vegetarier geworden, vor Weihnachten 1982 wieder ein.

Fredi Kummer:

Unter dem Namen «Fredi Kummer» gelangte er mit einem Brief an den Oberhirten der Diözese Basel:

«Lieber hochwürdiger Herr Bischof Wüst: Ich bin konsequenter Vegetarier und esse kein Fleisch. Als Katholik ging ich regelmässig zur Heiligen Kommunion, bis mich jemand darauf aufmerksam machte, dass die Heilige Kommunion ja eigentlich Fleisch und Blut Christi sei. Ich möchte Sie nun fragen: Muss ich als Vegetarier auf das Fleisch und Blut Christi verzichten?»

Der daraus resultierende Briefwechsel* offenbart, dass Hochwürden in Kummers Gewissensnot durchaus ein pastoraltheologisches Problem ortete. Zumindest dauerte es drei Monate, bis Bischofssekretär Max Hofer ziemlich ratlos antwortete:

Der überforderte Domherr

«Im vom Bischof verfassten Wort zur Fastenzeit finden Sie die Aussagen unseres katholischen Glaubens über das tiefe Geheimnis der Wandlung von Brot in den Leib und von Wein in das Blut Jesu. Ich entbiete Ihnen für die Fastenzeit meine besten Segenswünsche.»

Kummer schrieb zurück:

«Klar ist es für mich immer noch nicht. Darf ich als Vegetarier nun Fleisch und Blut Jesu bei der Heiligen Kommunion essen und trinken oder nicht? Da ich die Broschüre erst einige Tage vor Ostern erhielt, musste ich vorsichtshalber die Osterkommunion auslassen. Ich möchte Sie daher nochmals bitten, mir zu sagen, wie es nun wirklich ist. Muss ich als konsequenter Vegetarier auf das Fleisch und Blut Jesu Christi verzichten, oder darf ich die Heilige Kommunion auch nur bildlich verstehen, da alles eigentlich nur Brot und Wein ist?»

Domherr Hofer war mit dem Problem offensichtlich überfordert und besprach es mit dem Leiter des Pastoralamtes, Bischofsvikar Anton Hopp: «Wir beide sind der Ansicht», teilte er schliesslich Kummer mit, «dass Sie als Vegetarier durchaus die Heilige Kommunion empfangen können.»

Fern jeder Erleuchtung, traute Fredi Kummer der Beschwichtigung nicht und schrieb erneut nach Solothurn:

«Konsequenterweise habe ich wieder das Fleisch und Blut Jesu Christi verspiesen, bis mir erneut Ungewissheiten auftauchten. Ich realisierte, dass Sie mir zwar die Erlaubnis, nicht aber eine Begründung gaben, warum ich als Vegetarier Fleisch und Blut Christi verspeisen darf. So habe ich mich entschlossen, auf die Heilige Kommunion zu verzichten, bis ich von Ihnen eine nähere Erklärung erhalte.»

Zwei Wochen später ging die Antwort des Bischofssekretärs ein:

«Leider ist es nicht möglich, Ihnen im Rahmen eines Briefwechsels eingehend die Gründe darzulegen, warum Fegetarier (sic) kommunizieren können. Ich rate Ihnen deshalb, darüber mit einem Priester zu sprechen.»

Kummer schrieb zurück:

«Ich bin enttäuscht, zumal dies bereits der achte Brief ist, den wir wechseln, und ich noch immer nicht weiss, warum ein überzeugter Vegetarier das Fleisch und Blut Jesu Christi verspeisen kann, ohne seine vegetarischen Grundsätze zu übertreten. Ich sehe nicht ein, warum Sie die Gründe nicht im Rahmen eines Briefwechsels darlegen können. Der Priester sagt doch bei der Heiligen Messe, dass er im Namen Gottes gewöhnliches Brot und gewöhnlichen Wein in Fleisch und Blut Jesu Christi verwandelt. Ist dieses verwandelte Brot und Wein nun echtes Fleisch und Blut, oder meint man das nur so?»

Um den lästigen Frager loszuwerden, zog Domherr Hofer den Vertreter des Bischofs in Basel, den damaligen Regionaldekan Andreas Cavelti, ins Vertrauen. Und Kummer teilte er mit, sich für weitere Auskünfte künftig direkt an den Regionaldekan zu wenden.


Doch Fredi Kummer entschloss sich zu einem anderen Schritt. Er wandte sich an den Basler Kantonschemiker:

«Ich bitte Sie um Hilfe in einem schweren Konflikt, weil ich überzeugter Vegetarier und Katholik bin. Haben Sie schon einmal untersucht, ob sich bei der Heiligen Wandlung Brot und Wein in Fleisch und Blut verwandelt? Darf man jemandem etwas zum Essen anbieten, ohne dass man ihn über den Inhalt informiert? Wie steht es da mit der Lebensmittelkontrolle?»

Kummers Hoffnung, wenigstens vom Kantonschemiker eine klare Antwort zu erhalten, erfüllte sich. Rechtzeitig vor Ostern 1984 ließ er Bischof Wüst wissen:

«Dank dem Kantonschemiker von Basel hat sich alles zum Guten gewendet. Er schrieb mir, dass nach seiner Meinung Vegetarismus und Heilige Kommunion nicht zu vergleichen seien. Es gebe nämlich zwei verschiedene Ebenen:
1. Vegetarismus = Überzeugung und Ansicht über Nahrungsaufnahme und
2. Heilige Kommunion = Glauben, Weltanschauung über religiös-geistige Probleme.

Bei der Heiligen Kommunion ist nicht substantielle Gleichheit gemeint im vulgären, materialistischen Sinn. Es handelt sich demnach nicht um grob materielle Verwandlungen, sondern um feine geistige Wirkungen. Der Kantonschemiker findet daher, dass ich als Vegetarier die Heilige Kommunion empfangen kann.

Zu meiner Frage, ob die Heilige Kommunion unter die Lebensmittelkontrolle gestellt sei, meinte er, es gebe keine amtliche Kontrolle. Der Staat solle nur das leibliche Wohl der Mitbürger im Auge haben.

Für das geistige Wohl bestehe die Gewissens- und Glaubensfreiheit, so dass Sie als Vertreter der Kirche keine staatliche Kontrolle befürchten müssen. Der Kantonschemiker hat durch klare Gedankengänge Licht in die dunklen Verwirrungen und Unsicherheiten gebracht und somit auch seelsorgerische Arbeit geleistet.»

Gold für den Kantonschemiker?

Die Antwort von Bischofssekretär Hofer ließ nicht lange auf sich warten:

«Der Herr Bischof und ich freuen uns sehr, dass der Kantonschemiker von Basel Ihre Fragen beantworten konnte. Mit großer Genugtuung habe ich auch festgestellt, dass der Herr Kantonschemiker und ich zum gleichen Ergebnis gekommen sind: Sie können also auch als Vegetarier die Heilige Kommunion empfangen.»

Die Genugtuung des Domherrn wurde allerdings bald gedämpft, denn Kummer schrieb zurück:

«Zwischen Ihnen und dem Kantonschemiker gibt es einen großen Unterschied: Der Kantonschemiker legte mir die Gründe für seine Sichtweise dar, während Sie mir unbegründet einen Entscheid mitteilten! Aus Dankbarkeit, dass mich endlich jemand aus meiner Gewissensnot befreit hat, empfehle ich deshalb, dass dem Kantonschemiker die offizielle Erinnerungsmedaille zum Papstbesuch verliehen wird.»

Die darauf eintretende Funkstille wurde nur noch einmal unterbrochen. Einige Wochen später erkundigte sich nämlich Fredi Kummer bei Bischof Otto Wüst, wofür man sich nun in Bezug auf die Medaille entschieden habe: «Gold oder Silber?»

Der vollständige Briefwechsel ist in „Der gefälschte Glaube“ von Karlheinz Deschner nachzulesen. Seite 129 – 135.

Wolfgang Klosterhalfen dichtete dazu:

Wird der Herr im Darm zu Kot? - Die Briefe des René an Max Hofer


„Hochverehrter Oberhirte,
folgendes mich sehr verwirrte:
Vegetarier bin ich nun,
esse weder Rind noch Huhn.
Ist es dann noch für mich gut,
wenn ich esse Fleisch und Blut
unsres Herrn beim Abendmahl?

Gehe ich im Glauben fehl,
dass dies Stück aus Weizenmehl
durch den Priester fleischlich wird,
wenn sich nicht die Kirche irrt?
Außerdem wird Wein zu Blut,
was den Fall erschweren tut.

Rettet mich aus Seelenqual!
Wäre wirklich äußerst froh,
käme Antwort subito.
Fredi Kummer freundlich grüßt
seinen lieben Bischof Wüst.“

Lange hat man nachgedacht,
was man mit Herrn Kummer macht.
Schrieb dem Kummer einen Brief,
weil der ja nach Hilfe rief:

„Bischof Wüst hat mir gesagt,
dass von Skrupeln Sie geplagt.
Dessen Wort zur Fastenzeit
schick’ ich Ihnen zum Geleit.
Segen wünsch’ ich Ihnen sehr,
Hofer, Max, der Sekretär.“

„Jetzt fühl’ ich mich fast noch dummer“,
schrieb darauf der Fredi Kummer.
„Sieben Seiten las ich zwar,
doch noch sehe ich nicht klar.“

Hofer sprach darauf mit Hopp,
der in solchen Fragen topp.
Beide zu den Schluß gelangen:
„Können Kommunion empfangen.“

Isst nun Fleisch und trinkt das Blut,
doch weil sein Gehirn nicht ruht,
lässt er das dann wieder sein,
Kummer braucht jetzt reinen Wein:
„… bitte ich Sie, zu verkünden,
wie es aussieht mit den Gründen.“

Das geht Hofer nun zu weit,
schließlich kostet so was Zeit:
„Brieflich kann ich das nicht sagen,
bitte Ihren Priester fragen.“

Kummer ist ´ne harte Nuss,
will den Grund für den Beschluss.
Kummer schreibt zurück an Hofer:
„Jetzt wird es ja immer doofer.
Schreibe mir die Finger wund,
doch erfahre nicht den Grund.“

Gibt noch diesen Fingerzeig:
„Trete in Oblatenstreik.“
Doch direkt nach diesem Letter
findet Kummer seinen Retter.
Weil er’s endlich wissen muss,
fragt er einen Chemikus.

Dieser sagt ihm klipp und klar:
„Abendmahl ist durchführbar.
Brot bleibt Brot und Wein bleibt Wein,
soll ja nur symbolisch sein.
Vegetarisch wirst Du bleiben
beim Oblateneinverleiben.“

Also wurde Kummer fündig,
weiß den Grund jetzt kurz und bündig.
Fredi Kummer ist begeistert,
wie der Chemikus das meistert.
„War für’n Chemiker ein Klacks“,
schreibt er an den Hofer Max.

Hofer zeigt sich hocherfreut,
was er dann jedoch bereut.
Fredi Kummer schreibt ihm nämlich:
„Nur Erlaubnis – das ist dämlich.
Hörte ich doch nicht den Grund
von Hochwürden bis zur Stund’.“

Spät erst wurde Hofer klar,
wer der Briefe Schreiber war.
René Schweizer heißt der Mann,
der den Schabernack getan.

Fredis Fragen bleiben offen:
Kann ein Christ getrost drauf hoffen,
dass in Gottes Kathedralen
er nicht wird zum Kannibalen?
Auch möcht‘ man zu fragen wagen,
wie geht’s Jesus denn im Magen?
Ferner diese Glaubensnot:
wird der Herr im Darm zu Kot?

Dieses Gedicht basiert auf einer wahren Begebenheit, über die Karlheinz Deschner in seinem lesenswerten Buch „Der gefälschte Glaube“ berichtet hat.

Es gab eine Leserantwort zu diesen Reimen:

“Wird der Herr im Darm zu Kot?”


Ich hab den Verstand befragt,
da mich mein Gewissen plagt:
Hat man Montezumas Rache
schwimmt dann Jesus in der Lache?

Oder ist das nur symbolisch,
also völlig unkatholisch,
und es wär nicht wirklich so,
dass mein Gott dann schwimmt im Klo?

Und wie steht’s mit der Verdünnung
bei der Frischwassergewinnung?
Gibt vielleicht den bess’ren Rat
am Ende wohl der Homöopath?

Mag am Ende gar die Gleichung
nicht mehr sein als Hirnerweichung?
„Scheiss bleibt Scheiss und Mist bleibt Mist“
… die Ursprungsfrage sinnlos ist?


Bischof Otto Wüst (26. Mai 1926 in Sursee; † 19. August 2002 ebenda)
war ein Schweizer römisch-katholischer Geistlicher und von 1982 bis 1993 Bischof von Basel. Wüst wuchs in Sursee auf, absolvierte theologische Studien in Rom und wurde 1953 zum Priester geweiht. Später wurde er Weihbischof in Basel und schließlich Bischof des bevölkerungsreichsten der sechs Schweizer Bistümer. Seine Amtszeit war geprägt von Reformen und seiner Rolle als Präsident des Fastenopfers der Schweizer Katholiken. Aufgrund einer hartnäckigen Krankheit trat er 1993 zurück und wurde von Hansjörg Vogel als Bischof von Basel abgelöst1.
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„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)
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